die sache mit den absichten

sollten sie gut sein

oder besser als die letzten

 

müssen sie hoch hinaus wollen

über allen dingen stehen

 

unvergleichlich sein

unvorstellbar fast

 

vielleicht auch in sich ruhend

ausgewogen und stabil

 

was immer auch sei

wird sicher das richtige

 

und somit auf in das neue

das nächste Jahrzehnt

 

 

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offenbar_

offenbar ist es offensichtlich

heißt es ist richtig

es ist bekannt

es ist klar und eindeutig

 

heißt es, es ist offen?

soll es heißen, es ist so gemeint?

ist es ein Ist?

muss es nicht doch eher Scheint?

 

offenbar scheint es offenkundig

sollte es in aller Munde

gehört es bedeutsam

und endet auf _ung

un_Erkannt (1)

Oh bitte erkenne nicht meine Schwächen…

Sieh nur nicht zu genau hin, denn dann wirst du sehen, wie mein Lächeln doch eher einer Grimasse gleicht. Wie ich lauthals lache, um nicht zu weinen unter deinem Blick. Wie ich stolz die Brust herausstrecke, damit du nicht ahnst, dass ich doch lieber zusammengekauert in der Ecke verweilen möchte. Wie ich renne, dass du das Hinken meines Ganges nicht bemerken kannst. Wie ich handle, wie ich stets dem Aktionismus verfallen, stets auf der Suche nach Neuem bin, damit du nicht merkst – damit niemand merkt – wie ich vor Angst fast erstarre, wie sehr mein Sein verklebt, mein Geist verdunkelt ist…

Wie ich hoffe auf Hoffnung. Wie ich mich sehne nach Sehnsucht. Wie ich vermisse das Vermissen.

Oh bitte erkenne nie meine Schwächen, sonst bin ich gezwungen diese selbst zu erkennen.

„Was soll das bedeuten?“, unterbrach ihre zittrige Stimme des Autors Reverie.

„Hm? … Sprach ich laut? Schon wieder laut?“

Des Autors Muse nickt diesem bloß hilflos zu.

„Das…“, so lächelt er sie herausfordernd an, „… ist der Beginn meines neuen Werkes.“

Sie schweigt ihm entgegen.

Der Autor ergreift, sich nun seinerseits hilflos fühlend, ihre linke Hand. Er spürt wie diese eiskalt ist und nur schlaff in der seinen liegt.

Minuten vergehen bis sich die Finger der Muse endlich mit den seinen verschränken. Bis die Kälte verfliegt. Bis sie, seine einzige Liebe, seine Geliebte, seine Muse, ihm letztlich fest in die Augen blickt mit so etwas wie Zuversicht, mit schon fast einem Lächeln.

„Nun gut. Wenn dem so ist. Dann auf zu einem neuen Werk.“, durchbricht sie die Stille, das Schweigen, die Anspannung, „Ein Auftragswerk? Nein. Ein Bedürfnis. Ich sehe es genau… Doch wo ist der Szenenaufbau? Die Regieanweisung, die all deinen Werken innewohnt? … Es muss doch schließlich erkannt werden, dass es Gemacht ist, dass es Fiktion ist im aristotelischen Sinne und dass die Art des Schreibens, des gesamten Textaufbaus auf sich selbst aufmerksam macht, ja machen will – ganz so, wie es heißt, dass man dadurch Literatur, dass man Kunst als solche erkennt…“

„Ich habe dich vermisst.“, entweicht es beinahe unhörbar des Autors spröden Lippen.

Und nun wieder Stille. Schwer. Durchsetzt von all dem Unausgesprochenen. Doch zugleich aufgeladen. Zum Bersten gespannt. Sich selbst im Klaren, dass jeden Moment etwas geschieht.

Zwischen den Szenen. Vor einem überladenen Schreibtisch unter fahlem Licht

Ein Mann mittleren Alters – ein Autor – die zu dünnen Finger verzahnt mit denen seiner Muse, führt diese schweigend zu einem schweren Tisch aus Metall. Einst war dieser aus Holz, doch die Zeit und sein Leben ließen ihn verhärten, erkalten, sich seiner Umgebung anpassen und beinahe die Gesamtheit des Raumes einnehmen.

Dieser Tisch – Sinnbild seines Seins, Platz seiner Arbeit, Fixpunkt seines Tuns – ist inzwischen verstaubt, ja fast klebrig, ist vergraben unter Notizen, unter Essensresten, unter halbgeleerten Gläsern, unter all seiner Verunsicherung.

Zu laut schweigend steht das Paar also da. Vor diesem exorbitanten Tisch mit all seinen übergroßen Erwartungen und überhäuft mit einer Überlast von Möglichkeiten, beinahe übermannt durch eine grellbunte Klarheit vom was sein sollte… könnte… wird.
Und mit einem Gefühl der Sicherheit, an die er selbst kaum mehr geglaubt hatte, lockert der Autor letztlich seinen zu festen Griff um die zarten Finger seiner Muse, seiner Geliebten, seiner Liebe.

Er will sie nicht zwingen bei ihm zu stehen. Denn er wünscht sich, dass sie ihm ungefragt beisteht.

Lange Sekunden und absichtlich tiefe Atemzüge ziehen vorüber und legen sich mit dem Staub über die Kälte des Schreibtischs… bis endlich die Finger seiner Liebe, seiner Geliebten, seiner Muse die seinen fest – nicht zu fest – umklammern.

Nur schwach, jedoch nicht zu schwach, beleuchtet vom Licht des angebrochenen Tages, das den Weg durch ungeputzte Scheiben kaum findet, stellen die beiden – die Muse, der Autor… die Stimme, der Stift – sich schließlich Hand in Hand das Chaos zu ordnen.

Fortsetzung folgt

 

Logo Katze Mathilde GläserDies ist als Fortsetzung von „im Entsehen begriffen“ und „im Selbst_Gespräch“ geplant.

ja, aber

so ganz im Vertrauen, aber bitte verrate es nicht, behalte es einfach für dich…

denn man hat mir erklärt, denn ich habe gehört, denn ich glaube sehr dass.

 

aber sag nichts dazu, du verstehst es ganz falsch, so reg dich nicht auf…

denn sie hat mir gesagt, denn er hat es gemeint, denn wir haben entschieden.

 

klar hast du recht, ich verstehe dich voll, doch bitte bedenke…

sag es nicht weiter, es geht keinen was an, ich vertraue nur dir.

 

ja, glaub es, sie hat glatt gedacht und dann ich… und dann er… und also wir…

was weißt du denn schon, wir bitten dich sehr, so hilf uns doch bloß, behalt es für dich.

 

kein Für

kein Wider

ein immer immer Wieder…

ein Irgend_Jemand

Katze4

Fortsetzung zu ein Jemand_Anderes … geht auch gerne auf die komplette Geschichte

[…] So lag er nun also wie immer da, die stets laufende Nase ins Buch vertieft. Die blutunterlaufenen, grauen Augen flink über Zeilen gleiten lassend. Das vom Schlaf noch kreuz und quer liegende braune Haar ins Kissen gedrückt mit dem Rücken zum Wohnbereich. Als ihn auf einmal ein zu nahes Klappern, ein Türen öffnen und schließen, ein Wasser laufenlassen, ein Stuhl über Laminatboden schieben, ein Knarren im Sessel… erst verwundert aufhorchen, dann erschrocken aufrichten und schließlich entgeistert in Richtung Wohnbereich blicken ließ.

Jemand war in seiner Wohnung, saß auf seinem Stuhl, trank seinen Kaffee und schenkte der morgendlichen Nachrichtensendung seine Aufmerksamkeit…

Jemand, ein Jemand, welcher ihm bis aufs Haar zu gleichen schien.

—-

Er hätte wohl entsetzt sein müssen – sicher war er es auch oder wäre es gewesen, damals als ihn sein Dasein noch interessiert hatte. Vor langer Zeit inzwischen, bevor er sich schließlich abwandte von der Welt, von sich selbst. Bevor er sich eingestehen musste, dass er keinen Platz, kein Dazugehören hatte… es nicht zu verdienen schien.

Davon jedenfalls war er mittlerweile überzeugt. Da er doch so viel erwartete, schulterte für sich und andere, zu viel Zutrauen besaß, immer sich anzupassen versuchte, niemals herausstehen wollte und auch nie könnte, stets den Vortritt lassend, die helfende Hand reichend, den Blick zu Boden richtend – ganz so, wie es gelehrt wurde, wie zumindest er es stets zu verstehen glaubte. Nur um schließlich zu begreifen, dass er nichts verstand, dass er sich zu klein gemacht hat, dass er letztlich beinahe verschwunden war – ein Unsichtbarer, einer unter vielen, ein lebenslänglich Eingefügter und bis zum bitteren Ende ein Außenseiter, ein Zuschauer.

Ja, wenn es einen hätte treffen müssen, dass ein Jemand ihn ersetzt, er konnte es beinahe einsehen.

Er, der sich selbst nur von Innen sah, betrachtete jetzt Ihn, den Anderen, den Jemand, sein Abbild von außen.

Kurzes, gepflegte braunes Haar mit leicht ergrauten Schläfen, die ihn nicht alt sondern reif wirken ließen. Auch seine Augen grau, aber frisch ausgeruht und aufmerksam. Er hatte sich bereits fertig angekleidet – dunkle Hosen und ein kräftig grünes Hemd – schien bereit zum Aufbruch, obgleich er noch beim Frühstück und den Nachrichten saß.

Die morgendliche Nachrichtensendung neigte sich zum Wetterbericht, würde in Kürze einen erfolgreichen Tag wünschen. Der Andere saß noch immer auf dem bequemen Lehnstuhl, rührte mit der Linken den Kaffee, löffelte mit der Rechten sein Müsli – eine Körnermischung, Weizenkleie und frisches Obst.

Er, der da weiterhin im Bett lag, blinzelte einige Male, da er selbst nie über die drei Tassen Kaffee hinauskam, nie morgens zu essen vermochte und sich fragte, ob der Andere tatsächlich sein Doppelgänger sein konnte, wo dieser sich schließlich so eindeutig vom ihm und seinen jahrelang gepflegten Kaffeeritual abhob.

Stille – der Fernsehen nun ausgeschaltet. Ein Stuhlschieben, ein Klirren, ein Rauschen vom laufenden Wasserhahn. Dann Schritte und das Klappen der Haustür.

Ja, der Jemand könnte niemals sein Abbild sein und zugleich so rüstig in den Tag starten. Wo er wohl hinging? Was er wohl so trieb?

Dem Anderen zu folgen fiel ihm nicht ein. Seine Vorstellungen zeigten ihm deutlich genug, dass dieser ein traumhaftes Leben führte. Bestimmt nicht nur unter Menschen sondern mit ihnen. Nicht lediglich toleriert sondern geachtet. Nicht nur gehört vom Rest sondern vernommen.

Oh, wie traf ihn nun der Neid auf sich selbst. Er müsste all das auch haben. Würde es, wenn er nur die Kraft fand sich endlich wieder zu erheben.

Aufstehen. Losziehen. Nicht zurückblicken. Sollte es so einfach sein?

Kurz durchfuhr ihn ein Schauder. Länger noch kamen Fragen auf. Am Ende entschied er es fürs erste zu belassen.

—-

Wie immer war er frühmorgens erwacht, lauschte kurz dem Wind in den Ästen, dem Zwitschern der Vögel vor dem stets halboffenen Fenster. Wie immer machte er dann Frühsport, denn nur so bleibt man auch im Alter fit – so wusste er genau.

Die Tageszeitung zur Hand. Nach dem Aufstehen gleich geholt und natürlich mit einem freundlichen Gruß an die Nachbarn. Den Kaffee frisch aufgebrüht – nur eine Tasse am Morgen, besser es nicht zu übertreiben. Die Nachrichten im Hintergrund, der Eifer voraus, die geliebte Routine der arbeitsreichen Tage im Nacken.

Auf einmal ein Stöhnen, ein Räuspern, eine Bewegung im Bett.

Ihm stockt der Atem, denn Jemand liegt zusammengekauert in seinen Federn, mit seiner Abendlektüre unter seiner Nase, trägt seinen Schlafanzug und die schlaf-zerzausten braunen Haare…

Jemand, ein Irgendjemand, welcher ihm bis aufs Haar zu gleichen schien.

Ende

 

ein…

ein Leben hat Kurven – nicht immer sanft, nicht immer im Gleichklang mit den Lebensträumen… mit den Wünschen und Vorstellung…

ein Kreisel allzu oft – ein Strudel gar, ein Sog in Unklare, ins „Wer weiß was kommt?“…

ein Hoffen und Bangen – ein Festkrallen ans Gewohnte, ans doch so deutlich Vorbestimmte…

ein Stoßen auf Hindernisse – auf Mauern, Gräben, aufklaffende Mäuler mit scharfen Zähnen und spitzen Zungen…

ein…

ein Leben hat Kurven – die sanft werden, blickt man nicht nur noch zurück, lebt man im Hier und Jetzt, nimmt man sich dem Neuen an…

ein wieder Träumen…

ein neue Wünsche haben…

ein andere Vorstellungen entwickeln…

ein Recht zu Hoffen…

ein sich nicht nur Fügen – ein Kämpfen für sich und was geliebt wird…

ein niemals Aufgeben…

und ich warte

Ich warte aufs Warten

Auf eine Klärung der Gefühle

Auf die Gefühle selbst

Auf den Moment

Den Zeitpunkt

Festgesetzt und unverrückbar

Das Unaufhaltsame

Das… ich weiß nicht recht

Bin eingefroren im Augenblick mit dem Blick zur Uhr

Gehalten im Warten

Ich warte auf die Zeit danach

Auf wenn ich erneut warten werde

in Szene gesetzt

„Warum schreibst du nicht?“, fragt die geliebte Muse, die Liebe, sein Anfang, sein Ende.

Seine Antwort ist Schweigen… ist lauthals schreiend alles zu sagen ohne ein Wort… ist Nichts, was sich zu Papier bringen lässt.

„Wieso nimmst du nicht einfach die Feder zu Hand und lässt dies Werkzeug dein Tun lenken? Es muss nicht sinnvoll sein. Es muss nicht zur großen Kunst evolvieren. … Nur schreib!“, zischt sie nun beinahe.

Der Autor sieht nicht mehr in ihre Richtung… hat sich abgewandt… untermauert sein Schweigen mit Körpersprache, mit deutlicher Unteilhabe am Gespräch.

„Du wirst es sehen! Federstriche werden zu Buchstaben… Buchstaben zu Silben… Silben zu Worte… Worte zu Sinn… Sinn zu allem Anderen… Alles was für dich zählt… ein Ausdruck deiner Selbst unter gewähltem Pseudonym… Wahrheit im Verborgenen… gewundene Ehrlichkeit in verzerrter Sprache…!“

Sein Gesicht fällt als er sie schließlich anblickt. Als er ihr leer in die so wachen Augen schaut und bezeugt, wie ihr Glanz abzustumpfen scheint. Wie sie immer müder wird… wie sie es leid ist gegen seine Wände anzureden… wie sie die gut gemeinten Ratschläge nur noch versinken sieht im Sumpf seiner Selbst… im Zweifel … wie sie es bald aufgeben wird lediglich sich selbst zu lauschen im einseitigen Gespräch.

„…“

Ein tiefer Atemzug und der Autor ist sich sicher, sie wird ihn verlassen und das zu recht…

Wie erstaunt wird er sein, wenn sie sein ergrautes Haar streichelt, wenn sie ihm Tee bringt, wenn sie sich zu ihm setzt und sein Schweigen teilt, wenn sie mit ihm gemeinsam aufs Erwachen wartet.

Persönlich – Versöhnlich

Gedankengänge im Selbst

So verwunden diese auch sein mögen

Persönliche Erfahrungen

Im so Etwas wie Schicksal

 

Stets mit Bedacht geäußert

Verpackt, verschnürt, verschüttet in Wortspielerei

Geformt, geschmückt, gegossen in Fragenzeichen, in Wunschvorstellung

Im Hoffen

 

Aus sicherer Entfernung

Im Reden durch die Augen Anderer

Durch anonymisierte Dritte

Wahrheiten erträglich durch Verfremdung, Entpersonalisierung, durch ein Beiseitetreten vom Sein

 

Betrachtungen

Von außen, vom Innen

Spiegelbilder

So fast schon versöhnlich mit dem Sich, der Welt, mit dem was wohl zu Leben heißt

 

nun nach 424 Tagen

das Alles – noch gleich

das Alles – wie es immer war

das Alles – nach altbekannten Rhythmen

all das… es ist nicht mehr

wird nicht mehr

nicht mehr so ganz

 

bloß noch Spuren vom War

schon ausgedünnt, ausgefranst

bald entrückt, verzerrt, verschoben

 

eine neue Realität, ein Schmerz, ein sich-damit-abfinden-müssen

ein vor-antwortlosen-Fragen-stehen

 

eine viel zu laute Stille

eine unerträgliche Leere im voll besetztem Haus

eine unliebsame Veränderung

ein notwendiger Wandel

 

ein nun – immer –  noch

nach 424 Tagen ohne Sie

.

.

.

Katze4

in der Stille

nun

noch zu Gast?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

im Selbst_Gespräch Tag 3_Szene im Zug auf dem Weg zurück nach Vorn

zum Rest der Geschichte

Katze4im Selbst_Gespräch

Tag 3

Szene im Zug auf dem Weg zurück nach Vorn

Die Ohren verstopft, sitzt er da.

Sitzt zusammengefaltet auf einem Fensterplatz.

Sitzt eingeengt im übervollen Wagon.

Sitzt vor den leeren Seiten seines Notizbuchs.

Im Kopf noch die letzte Nacht, die sich zog wie Hundert Tage. In Erinnerung – ganz klar, ganz deutlich, fast schillernd – die Fähigkeit zu Schreiben… die Kraft gewählte Gedankengänge in kunstvolle Bahnen zu lenken… die Mittel Worte zu Formen, zu Fügen, zu Halten… das Bedürfnis endlich wieder Autor sein zu wollen… der Wunsch den ausgesuchten Weg zu gehen… die Hoffnung… die Hoffnung… die Hoffnung… auf was nochmal?

Den Füllfederhalter im starren Griff bereit, so wie die unbeschriebenen Blätter im Schoß. Bereit die Gedankenstapel, die Gefühlswirren und Wortgedichte aufzunehmen; sie festzuhalten für die Ewigkeit. Nur, der Autor wagt es nicht dem Schreibgerät die Hand zu führen… bald schon zittern die verkrampften Finger… bald schon stößt er laut seinem Atem aus… bald schon flucht er deutlich hörbar durch verkniffene Lippen… bald schon spürt er die Blicke der anderen Fahrgäste.

Leicht peinlich berührt, packt er seine Utensilien zusammen, wendet sich zum Fenster, betrachtet den Fahrtweg, die Natur, sein Spiegelbild… das Gesicht eines Fremden.

Befremdlich die Züge, die alles Infragestellen… die sich zu wundern scheinen… die unberührt den Wundern gegenüber nur noch Zweifeln, nur noch sind. Die Stirn in Falten gezogen, mit sich fast berührenden Brauen, mit halb geschlossenen Augen, mit schmalen Lippen, die das Lächeln vergessen haben.

Denn in dieser Nacht wie vor Hundert Tagen blieb er erstmals für sich. Blieb er ohne Traum an sie… fand keine Spur von ihr… führte die Gespräche bloß noch mit sich selbst… konnte sich nicht vormachen, sie würde stets an seiner Seite sein – seine Geliebte, seine Liebe, seine Muse.

Unter dem bedrückenden Blick seines fremden Selbst rutscht er weiter in sich zusammen, macht sich kleiner, will versinken… sich verstecken… bis der Fahrgast zu seiner Rechten ihn unwirsch anstößt, ihn finster anblickt, ihn unfreiwillig rettet vor sich selbst.

Nein, er will nicht so sein, wie der Fremde, wollte es nie… ein Verschließen der Augen, ein weiterer tiefer Atemzug, ein Erinnern daran, weshalb er in den Zug gestiegen war… er wird sie wiederfinden – seine Muse, seine Geliebte, seine Liebe – und so auch sich selbst.

Fortsetzung folgt

G lück en Fühl ler

Gedanken wie Ton

gepflückt, geschnitten, gebrochen

aus Klumpen, aus Blöcken, aus Brocken

 

Gedanken wie Kunst

geplant, durchdacht, doch im Affekt

geformt, gezogen, gestreckt

 

Gedanken in Worte

gefasst, schwer greifbar, vergänglich

in Schnörkeln, in Fetzen, voll Fragen an Dich

 

Gedanken mit Gefühl

durchströmt, überschäumend, lückenlos

bloß still, bloß künstlich, bloß stumm

Schattenseiten sonniger Tage_ Teil 3

Katze4zur gesamten Geschichte in allen Teilen

 

Teil 3

8

neue Wege auf ausgetretenen Pfaden

Sattes grün, sanfte Brise, ein Geruch nach Meer.

Salz liegt in der Luft, kein Wasser in Sicht im strahlenden Sonnenschein; Wiese in Sicht – fast noch greifbar, Wald am Horizont.

Lachen in den Ohren; ein junges Kind hüpft von dannen. Springt jauchzend von Grasbüschel zu Grasbüschel, gleich wird es im Wald verschwunden sein. Zu sehen nur noch ein rotes Käppi – sie ist allein.

Ein Ring aus Sand umgibt sie. Eine Grenze, eine Begrenzung.

Sie spürt die Kälte der aufgeheizten Luft, Eis auf brennender Haut.

Dann ein Knarren, ein Ruck, ein Windstoß, ein Aufschlag zu nah an ihr.

***

Jany erwachte, spürte den Schrecken in ihren Gliedern, das Prickeln im Nacken.

Schneller Atem, kalter Schweiß, Aufrichten mit zittrigen Händen, hektisches Blinzeln gegen den Schlaf.

Ein schwerer Ast lag im Gras, war nur knapp neben ihrem Fels, nahe ihres Kopfes, aufgekommen. Abgebrochen, der Baumkrone entrissen… vom Wind getragen?

Morsch schien er zu sein, graue, trockene Blätter, Pilzbefall… krankhaft.

Wut, Zweifel und Verzweiflung legten sich über sie, krochen an ihr empor, tropften aus ihren Augen… Ausrufe und Fragen und Fragen und Fragen und Fragen.

Wie passend, dass nun auch noch ihre Lichtung in sich zusammenbrach. Wie passend, dass ihre einstige Zuflucht nun ihr Gefängnis sein sollte. Wie passend, dass sogar ihre Träume kein Gefühl des Wohlseins mehr in sich trugen. Wie passend, dass…

„Du bist hier sicher. Bleib bei mir.”, säuselte der Schatten in ihr Ohr, begleitete ihren Reigen, „Es wird sich schon richten. Warte nur ab. Alles zu seiner Zeit.”

Doch das war es ja!

Jany hatte abgewartet, sich eingefügt in vorbestimmte Bahnen. Nichts in Frage gestellt, hingenommen, wie die Dingen sich ihr boten. Allmählich vergessen, dass es eigentlich anders war, ganz bestimmt, früher. Dass es anders sein sollte, müsste, könnte. Nur dass sie einst ein Leben geführt haben wird, im Kreise lieber und geliebter Menschen, dessen war sie sich sicher. Beinahe gewiss. Fast ohne jeden Zweifel. Sicherlich doch, wohl so und nicht anders. Sicher war es doch niemals nur ein Abbild ihres jetzigen Seins. Oder doch?

Nein, sie war irgendwann aufgewacht in dieser Blase. Verloren im Vergessen. Schwamm lediglich mit, ließ sich treiben, folgte den Spuren dieser Welt in der Hoffnung auf… was eigentlich? Erinnern mit Bestimmtheit? Dass der richtige Weg sich auftat? Dass sie es verstand?

Selbst das Hoffen hatte sie vergessen.

„Du bist nicht allein, wenn du mich hast.”, sanft umkreisten seine Worten ihren stummen Schrei, rannten an gegen den Gedankenstrudel aus Verzweiflung, Zweifel und Wut. So wie sie es immer taten.

Was kann ich tun? – „Warte einfach ab.”

Wo soll ich hin? – „Bleib bei mir.”

Was hab ich falsch gemacht? – „Ich werde dir helfen.”

STOP

schrie Jany in keine bestimmte Richtung. Vertrieb den Schatten und seinen Sanftmut.

Sein Schweigen, ihre Gedanken – ein Strudel. Gleich Blättern in einer Windhose davongetragen.

***

Jany sah sich um.

Sie war noch immer auf der so bekannten Lichtung, gelehnt an ihren Fels, umzäunt von Bäumen, versorgt mit Licht, das nie blendete, mit Wärme, die sie nie verbrannte, mit Geräuschen, die nie unangenehm waren. Vor sich noch die Quelle, die Abkühlung bot.

Alles wie immer… nur…

Nur, die Bäume schienen näher als sonst, das Licht fahler, weil kaum durch das Blätterdach dringend, die Wärme milder, fast schon kühl, ein stetiger Windzug, welcher an Stärke gewonnen hatte. Die Geräusche verstummt, zu einer Stille, die dröhnend um sie herum anwuchs, alles verschluckend. Die Quelle bar jeder Reflexion.

Janys Blick ging ins Leere.

Alles was anders, schien im Wandel.

Veränderungen, wie losgetreten, ins Rollen gebracht schon vom kleinsten Stein, als Jany gestolpert war und die Dunkelheit entdeckt hatte.

Ein Gurgeln holte sie schließlich aus den Gedanken zurück und ließ sie zur Quelle blicken.

Irgendetwas glitzerte, lag im Wasser, lag am Grund, lag da wie schon immer, jedoch nicht dazugehörend. Nie hatte sie es bemerkt. Jetzt wollte sie es haben.

„Hast du schon wieder vergessen, was dein unbedachtes Handeln mit sich bringt? Ihm folgt Zerstörung. Du wirst vertrieben. Du bist allein. Sei nicht leichtsinnig!”

Jany ignorierte den Schatten und Griff in das angenehm kühle Nass, tastete nach dem Objekt und brachte eine goldene Brille hervor: Gelbe Gläser in einem, auch noch im fahlen Licht der Sonne, leuchtendem Gestell. Kein Kratzer, sauber und trocken, ungewöhnlich, fragwürdig. In Frage zu stellen?

Hatte sie schon immer am Grund der Quelle gelegen, lediglich überdeckt vom Gesicht im Wasser? Hatte sie bloß darauf gewartet gefunden zu werden? Gab es einen rechtmäßigen Finder, der ohne sie nun wie blind durchs Leben schritt? Oder war sie vielleicht für sie bestimmt?

Das Medaillon um Janys Hals leuchtete mit einem Male auf, wurde gleichzeitig warm und kalt auf ihrer Haut und schien sich in Richtung der Brille auszurichten. Beide Gegenstände wirkten wie erweckt aus langem Schlaf, fast schon lebendig. Sie funkelten sich an, als gehörten sie zusammen, als wäre sie Teil eines Ganzen..

Die Brille noch immer in Händen zögerte Jany nicht länger, setzte sie auf und sah sich abermals um.

Alles wie immer, wie vor ihrem Stolpern, wie vor ihrer Begegnung mit der Nacht, wie vor ihrer fanatischen Suche nach etwas Neuem, wie vor dem Verlust des Bekannten. Alles wie immer und doch ganz anders. Klarer, weicher, ruhiger. Der Blick zur Quelle ließ Jany vollends aufatmen. Alles… wie… immer!

Das freundliche Gesicht schmunzelte ihr entgegen und zwinkerte kurz durch farbige Gläser. Jany erhob sich, wollte zum Haus zurück. Vielleicht, vielleicht wäre nun alles wie vorher und sie wäre wieder willkommen, beinahe zuhaus – zumindest wieder ein Gast. Ein Schließen der Augen, das Ausstrecken der Arme, ein Innehalten. Vielleicht, vielleicht wäre es nun alles ganz anders. Vielleicht würde sie ihren Weg erkennen, endlich hineinpassen, als Mitbewohner, als Einwohner, als Teil eines Ganzen.

So öffnete Jany schließlich ihre Augen. Sie war herausgetreten aus dem Schutz der Lichtung, stand jetzt mitten im Wald auf unbekannten und ausgetretenen Wegen und lachte frei auf. Alles blieb an Ort und Stelle, da weder sie noch die Bäume sich bewegten, da sie nun ihren Weg von Neuem finden konnte, ja musste.

Sehend, nicht ertastend. Erkundend, nicht beschränkt. Vielleicht, vielleicht…

 

9

zwei Schritte vor und einen zurück

Jany stand reglos da, ihre Umgebung aus neuen Augen betrachtend, erstmals erblickend, im Versuch Gesehenes mit Erahnten zu verknüpfen.

Der Wald lag vor ihr, hinter ihr, weit um sie herum.

Licht und Schatten im Spiel, nicht so düster, wie erwartet. Das Blätterdach geöffnet hier und da. So erreichte die Sonne dann den Boden, versorgte die kleineren Pflanzen mit Leben, winzige grüne Inseln im Dunkel des Waldes. Pink-Rotes Gewächs entlang mancher Äste, ein parasitäres Dasein führend in Farben, wie nur Blüten sie sonst tragen. Löcher von Spechten, verlassene Nester, Baumpilze, befallene Blätter, durchgefressene Strukturen, Vernarbungen im Stamm – Zeichen alter Verletzungen. Abbisse der Rinde bei jungen Bäumen – gefährdete Nachzucht, Kratzspuren als Markierung, gespaltenes Holz, gesplitterte Äste, Totholz am Boden, durchwühltes Erdreich, Schleifspuren, Abdrücke – Pfoten, Klauen, Krallen; Fingerabdrücke des Waldlebens.

Einige Bäume waren von starken Ranken umklammert, andere verwachsen mit Artgenossen, manche verbunden mit artfremden Bäumen. Pilze am Boden in Grüppchen, ihre Früchte vorzeigend, Steine und Steinchen hier und da… ein Wald, wie er sein sollte, in aller Schönheit und im Kampf ums tägliche Sein; Janys Vorstellungen, Erinnerungen vielleicht sogar, getroffen, übertroffen. Nur: Ameisenhügel ohne sichtbare Bewohner, leere Wespennester, Spinnweben zu gewaltigen Netzen verbunden, ließen Vermutungen über die Größe der Erbauer zu, ließen Jany erschaudern beim Gedanken daran, ließen sie sehr genau den Weg um solche Bauten suchen – die Spinnen selbst sah sie nicht.

Wie schon zuvor auf ihrer Lichtung schien Jany lediglich den Spuren des Tierlebens folgen zu können. Ganz so, als würde sie immer zu spät sein, ein paar Augenblicke hinter dem Ereignis oder als stünde sie in einer Kulisse während der Drehpausen, inmitten des Bühnenbilds, nach Fallen des Vorhangs.

Ein tiefer Atemzug, die Luft kurz in den Lungen halten, langsam ausatmen, ein paar mal blinzeln. Die Welt lag weiter wie im Stillstand vor ihr.

Eine starker Windzug im Tunnel der Bäume dann bewegte die satt grünen, grau-brauen, gelb-grünen Blätter, brachte das Astwerk in gefährliche Schwingung. Aus Angst sie könnte womöglich doch noch einem morschen Ast zum Opfer fallen, setze Jany sich schließlich in Bewegung. Langsame Schritte, unterbrochen von Volldrehungen und kurzen Stopps voller Erstaunen. Diese Momentaufnahmen das Beeindruckendste seit langem. Wohin, wohin, was zu erst genau betrachten?

Ein Knacken, ein Bersten, ein Geräusch von brechendem Glas brachte das Haus zurück in Janys Gedankenwelt.

Sie sollte es aufsuchen, nach dem Rechten schauen. Vielleicht gab es ein zurück, ein Bett für sie zum Ruhen, Grammophonmusik zum Lauschen, tägliche Besuche im Flur vor ihrer Tür zum Warten. Sie sollte, sie sollte…

Ein Blitzeinschlag zu ihrer Rechten.

Blau-Weiße Flammen schlugen um sich, schlugen nach ihr, verfehlten nur knapp ihre Haut.

„Ich hatte dich gewarnt. Wieso hörst du nie?”, riss der Schatten sie mit sich, aus ihren Gedanken, zurück auf die Lichtung.

***

Jany, angespannt auf ihrem Fels sitzend, die Brille in Händen haltend, die Unterlippe mit dem Zähnen greifend, die Augen geschlossen haltend, senkte ihren Kopf bei jedem Wort, das der Schatten ihr entgegen warf.

Nicht mehr sanft, nicht mehr sie tröstend, sondern von allen Seiten niederprasselnd, harsch, laut, erschreckend gar.

Ja, sie hätte mehr Vorsicht walten lassen müssen, kannte sie doch die Gefahr des Waldes, zumindest wusste sie, dass es Gefahren gab. Nie zuvor aber hatte sie die Flammen mit eigenen Augen gesehen, nie hatte sie die eiskalten Funken so nah gespürt. Noch immer vibrierte es auf ihrer Haut, wie Elektrizität prickelte es, durchzog den ganzen Körper, ließ den Schädel schmerzen, ließ sie frieren, sich fast nach der Sonne sehnen.

„Du darfst nicht mehr fortgehen!”, traf es Janys Ohr.

Keine Bitte, ein Befehl.

Nie hatte der Schatten bisher Gehorsam eingefordert, stets nur wage Warnungen ausgestoßen, sie dennoch trotz allem, wenn diese ignoriert, mit offenen Armen empfangen, Trost spendend, nachsichtig.

Nie so bitter, nie so kalt, nie so voller … Was? Enttäuschung, Frust, Wut, Aggression…?

Jany sah nun auf, den Blick verhärtet, den Kopf zur Seite geneigt, die Zunge schnalzend, herausfordernd fast. Sie wollte den Schatten direkt ansehen, doch fand nur die Leere der Lichtung. Er war noch da, dass spürte sie genau. Er war nie weit, auch nicht außerhalb des Waldes. Er war nun mal ihr steter Begleiter, in Symbiose mit ihr; ihr Freund? Doch jetzt gerade wandelte er sich vor und in Janys Augen, er formte, überformte, verzerrte sich und gab ihr so in voller Absicht oder ohne eine Solche neue Kraft, stärkte ihren Willen. Sie konnte eine Leichtigkeit in sich spüren, wie schon lange nicht mehr; wie noch nie, wenn sie ehrlich war.

So ergab es sich nun, dass Jany sich zur vollen Höhe ihrer zierlichen Gestalt erhob, die Brille aufsetzte, das Kleid gerade rückte und die Lichtung verließ ohne noch einen Gedanken an den Schatten zu verlieren.

 

10

und wenn dann die Bäume sprechen könnten

Jany steuerte von Neuem und mit neu gewonnener Kraft den Sandfluss an, hatte dafür wieder die Augen geschlossen, vertraute ihrer Ortskenntnis bei Sicht noch nicht genug. Sie wollte vermeiden, sich ablenken zu lassen von all dem, was sie nun endlich sehen konnte.

Zurück an der Stelle, von der aus sie die Dunkelheit das erste Mal erblickt hatte, überlegte Jany, was als nächsten tun. Sie war davon überzeugt, dass die andere Seite, obgleich diese ihr gerade wieder im vollen Licht der Sonne entgegenstrahlte, die Antwort sein würde auf Fragen, die sie mittlerweile vergessen hatte zu stellen, die überhaupt in ersten Linie zu stellen, ihr noch nicht einmal in den Sinn gekommen waren. Dass es gerade in diesem Moment auf Seiten der anderen Welt auch Taghell war, zeigte für Jany nur, dass die andere Seite des Flusses mehr als die bloße Kehrseite all dessen darstellte, was ihr bisher bekannt war.

Ganz eindeutig, es herrschten dort andere Rhythmen, andere Regeln – es war eine andere Welt. Vielleicht war diese sogar bevölkert, gefüllt mit Menschen, welche auch für Jany in mehr als in Form reiner Spuren sichtbar waren, welche Jany einbezogen würden in ihre Gespräche, welche Jany verstehen konnte, welche Jany verstehen könnten, welche sie vor allem auch verstehen wollten.

***

An Ort und Stelle den breiten Fluss zu überwinden, stand außer Frage. Eine Brücke zu errichten, bedurfte Werkzeuge und sicherlich fremde Hilfe, Jany besaß weder ersteres noch konnte sie letzteres auch nur erhoffen. Was also blieb war, dem Verlauf des Sandes zu folgen und schmalere Stellen zu finden, Unterbrechungen gar oder am besten doch noch einen bereits geschaffenen Übergang zu erreichen.

Den jetzigen Standort als Startpunkt wählend, raffte Jany größere, abgeworfene Äste zusammen, verknüpfte diese mithilfe starker Ranken, band alles an einem der stämmigeren Bäume in nächster Nähe fest und legte ihr Werk quer und gut sichtbar zwischen Waldrand und Sandboden ab. Auch Steine sammelte sie zusammen, um ihre Laufrichtung zu markieren.

Flussabwärts erschien Jany sinnvoll, da sie ihre Hoffnung auf dessen baldiges Austrocknen gelegt hatte, obgleich „austrocknen” im Falle eines Flusses aus Sand wohl ein fragwürdiger Ausdruck war oder gewesen wäre, hätte der Sand nicht auch noch eine Fließrichtung aufgewiesen.

Aber ja, der Sand floss, natürlich tat er das, natürlich schlug er auch kleine Wellen, verfügte sogar über Strudel. Warum auch nicht, stöhnte Jany in sich hinein, das deutlich hörbare Kichern und Aufprusten in ihrem Nacken ignorierend.

Jany wusste, sie würde nicht in direkter Nähe zum Sandfluss wandern können – dass auch dieser ein Eigenleben, unabhängig vom Fließen selbst, führte, hatte sich überdeutlich in ihrer Erinnerung festgesetzt. Schon der Gedanke daran, ließ ihre Muskeln krampfen, brennen, versteifen. Was blieb, war ein Weg entlang des Waldrandes, wenn möglich oder aber ein Weg durch den Wald, wenn notwendig; durch einen Wald, so unbekannt, wie er weit war.

Doch vorerst kehrte Jany zu ihrer Lichtung zurück, lief die fremd-bekannte Strecke mit offenen Augen und auf aufmerksamen Sohlen.

Sie wollte, sie musste Ruhen. Sie würde ihre, durch die Ranken, aufgekratzten Händen, die sonnenverbrannte Haut, die geschundenen Füße kühlen. Wollte das Gesicht in der Quelle noch einmal sehen, empfand dessen Lächeln als nötige Bestätigung, als aufbauende Reflexion ihrer Entscheidung, als Balsam für Körper und Geist.

Der Schatten war nicht zu sehen, sie spürte ihn, doch er schwieg. Schien abzuwarten; auf ein Ende, einen Beginn, auf den richtigen Moment, auf einen Fehltritt… auf ein Wort von ihr.

***

Das sie keinen simplen Waldspaziergang vor sich hatte, kein einfach und zügig erreichbares Ziel, stand für Jany nie in Frage, und zeigte sich bereits nach kurzer Zeit.

Es gab keinen Weg, keinen Pfad. Niemand schien je einen Fuß in den Wald, entlang des Waldes gesetzt zu haben oder zumindest seit langem nicht mehr. Unberührte Natur unter ihren Füßen und vor ihren Augen, jedoch ohne Spuren, ohne Rufe, ohne Geraschel und Geknacke; unwirklicher Stillstand in bedrohlicher Stille. Als wagten es die Tiere nicht, sich in der Nähe des Sonnenlichts, zu nah am Sandfluss aufzuhalten. Als schickten sie eine stumme Warnung.

Jany hielt die Augen offen, die blanken Füßen aufmerksam und strich mit angespannten Fingerspitzen entlang der Strukturen um sich herum. Sie wollte sich die gegangenen Wege einprägen, sich nicht verwirren lassen durch die neue, die stumme, die befremdliche, die berauschend schöne Umwelt; wollte sich nicht in ihr verlieren. Oft genug musste sie ihre Schritte zurückverfolgen, um eine andere Strecke zu wählen, da der Pfad entlang des Waldrandes unbegehbar wurde, da sie vor unüberbrückbaren Hindernissen stand. Vor Baumstämmen wie Mauern, die es nicht zu überwinden gelang. Vor Felsen in Klippen, die sich unbesteigbar vor ihr erhoben. Vor dornigen Sträuchern, die zu umwandern waren und sie so tiefer in den Wald zwangen, dass sie sich bald in Gefahr glaubte, zu weit vom Sandfluss abzukommen.

Wenn sich aber die Möglichkeit bot, so hielt sie sich nahe am Fluss, lief sie am Rand des Waldes entlang. Dort standen die Bäume nicht so dicht zusammen, Licht floss beinahe ungehindert, ungebremst durchs Blätterdach. So war es merklich wärmer, wenn auch immer noch nicht heiß. Es war heller, knapp vor blendend und vor allem war der Waldrand artenreicher; Bodendecker, Sträucher, Gräser, Inseln verschiedenster Baumarten, die verwoben ineinander wuchsen, die dicht an dicht standen, die umringt waren von ihren Nachzöglingen. Alles im Kampf um das Licht, die Erde, das Wasser.

Wasser.

Woher kam das Wasser?

Tief in Gedanken versunken, verlor Jany das Gleichgewicht. Ihr linker Fuß in einer Schlinge, die sich braun, brüchig, dornig, nicht ablassend, fester zuzuziehen schien.

In ihrem Nacken kam ein leises Glucksen auf, zu laut im sonst verstummten Wald.

Mit knirschenden Zähnen schluckte Jany jede Bemerkung hinunter, befreite den Fuß und setzte ihren Weg fort.

***

Vorsichtig, stetig, langsamer als es die Bedingungen verlangten, kam Jany nun voran. Die Breite des Flusses nahm nicht ab und der Wald selbst kein Ende. Sie wusste zwar, dass sie schon ein gutes Stück Strecke hinter sich gebracht haben musste, aber auch, dass die Dauer ihrer Wanderung nicht viel über die Länge des beschrittenen Weges aussagte. Jany konnte nicht einschätzen, was noch vor ihr lag und was bereits zurück. Sie wusste nur, dass ihre Kräfte schwanden.

Sie wurde müde.

Bald würde sie nicht mehr umhinkommen mehr als nur eine kurze Pause einzulegen. Der Drang sich hinzulegen, die Augen zu schließen, zu schlafen, war inzwischen kaum mehr zu ignorieren.

Sie war unkonzentriert.

Dem betont unschuldigen Pfeifen zu ihrer Rechten schenkte sie somit mehr Aufmerksamkeit, als ihr lieb gewesen wäre.

Sie musste anhalten! Nur wo?

Betrachtete Jany die Bepflanzung um sich herum zu lange, zu genau, dann zuckten blaue Flämmchen auf und schlugen wild nach allen Seiten. Ganz so als hätte der Wald etwas gegen neugierige Blicke. Ein Knistern lag dann in der Luft, ein unaufhörliches Knacken, als läge etwas einem Stromzaun auf, ein Surren, wie vom Zählerschrank.

Geräusche des Hauses, der Stadt, menschlichen Zutuns.

Führten also Leitungen durch den Wald? Gab es Stromtrassen in nächster Nähe? War alles nur Kunst, nur künstlich, nur ein Schaubild der Natur?

Doch der Geruch war wie Wald, war wie verfliegende Tierspur, wie Regen nicht fern.

Janys Gedankengänge wieder im Kreisel, ihr schmerzte der Kopf, sie musste schlafen; egal wo sie war, ganz gleich wann, unabhängig vom Warum und vor allem der Frage nach dem Wer.

„Komm mit mir. Zurück zur Lichtung. Da bist du sicher. Da kannst du ruhen.”, säuselte es schließlich von allen Seiten, legten sich die Worte des Schattens über sie, deckten sie zu, wie Federbetten – warm, weich, viel zu schwer.

Jany schloss ihre Augen – Ein tiefer Atemzug. Luft in die Lungen, Luft halten bis die Bronchien schreien, bis ein Schwindel sich ausbreitet, bis die Fingerspitzen kribbeln und die Füße kalt werden. Ausatmen.

NEIN sprach Jany laut, verscheuchte den Ruf.

Wenn es eine sichere Lichtung gab, dann gab es bestimmt noch mehr davon und sie würde diese finden. Auch ohne die Hilfe des Schattens!

Sie zog wieder starke Äste zusammen, verknüpfte auch diese, legte das ganze als Kreuz geformt an der Waldgrenze ab und ging in den Wald hinein.

 

11

sich fern der Ruhe betten

Jany war erschöpft.

Alles was sie augenblicklich wollte, wonach sie sich sehnte, worauf ihr Leib sie drängte, war es zu liegen. Nicht mal ein weicher Untergrund wäre nötig, nur musste sie sich hinlegen… jetzt! Doch blitzend blaue Flämmchen säumten ihren Weg, rollten an Baumstämmen auf und ab, sprangen zwischen Ästen hin und her, tänzelten um sie im fröhlichen Reigen, immer wenn sie inne hielt. So stolperte Jany also weiter, die Augen halb geschlossen, die Glieder ächzend und schwer, die Schwerkraft deutlich spürbar auf den Schultern, in den Knien… Fast war ihr, wie nach Schlafwandeln, nach Taumeln, wie von Geisterhand geführt sein. Bald stützte ihre rechte Hand, eines Traumhandelns gleich, Janys Gewicht an einem der stärkeren Baumstämme. Die Rinde zu rau auf ihrer Haut, scharf, einschneiden, schmerzhaft, aber weckend; dann das Quietschen eines Fuchses.

Schnelles Blinzeln, gefolgt vom Strecken der Arme, Ausschütteln der Beine; ein rasches Erwachen, Aufmerksamkeit für den Moment.

Jany konnte sich das erleichtere Auflachen nicht verkneifen, zu froh war sie nun endlich wieder spürbar von Leben umgeben zu sein. Je weiter sie in den Wald vordrang, desto deutlicher ließen sich Spuren von verschiedensten Tieren erkennen, ganz so, wie es sein sollte, wie sie es sich wünschte.

Leise Streitgespräche unter Meisen, Warnsignale und Aufflattern von Eichelhähern, Empörung vom Sperber, welcher wohl vertrieben das Weite suchte. Janys Freude war ein wenig gedämpft, denn noch immer sah sie nichts von all der Aufregung, konnte nur vermuten, nur die Spuren deuten. Erdachte sich die recht bunt befederten Häher dazu, die blitzschnellen Greifvögel, die kleinen Meisen – nein, der Gesang zu verschieden, zu unterschiedlich, mehr als nur die eine Art – was wusste sie schon über Vogelgesang? Leider brauchte es nach wie vor ihr geistiges Auge, um das aufgewühlte Erdreich, die Kratz- und Nagspuren, den strengen Duft in Kategorien zu pressen, um dem Wald Leben einzuhauchen.

Janys Sein wurde letztlich erfüllt von der klebrig-leichten Luft, der kalt-heißen Last, genoss die geräuschgewaltige Stille und wollte sich nur noch auf dem Boden zusammenkauern. Sich vom Piepsen und Trällern, dem Flügelschlagen und Grabgeräusch in den Schlaf wiegen lassen. Nur noch träumen vom Bald, vom Anders und der Nacht. So senkten sich letztlich ihre Lider und sie gab sich der Schwere ihres Seins hin – nur kurz, ganz kurz, dann würde sie weitergehen…

***

Ein Kribbeln in der Armbeuge.

Ein Krabbeln auf dem Bein.

Ein Zucken in den Fingern.

Ein Stechen im Gesicht.

Sie war im Schlaf überrannt wurden von einer Armada aus Ameisen, Käfer, Bremsen… Kleingetier, was lief, was hockte, was stach.

Jany starrte entsetzt auf sich, kniff die Augen zusammen, sprang auf, ruderte wild mit den Armen, strich die Handfläche über Gesicht und Haar, Arm und Bein, Torso und Rücken. Klopfte sich die Schultern ab, die Füße und wieder von vorn. Vertrieb die Insekten, aber wurde das Gefühl auf Haut nicht los. Ein Brennen, ein Vibrieren, kalt und heiß im Wechsel; Schmerzen, nicht bloß ein Echo.

„Du hättest auf mich hören sollen. Ich hätte dich geführt. Was nun? Was glaubst du?”

Die Worte des Schattens ließen Jany aufmerken: Konnte er Recht haben? Wäre sie besser aufgehoben in seiner Obhut? Er hatte sie schließlich noch nie im Stich gelassen. Alles was er verlangte war Gehorsam.

Gehorsam.

Hingabe.

Blindes Vertrauen.

Sie ignorierte ihn und seine Wünsche. Ihr Atem schon entspannter, beruhigte Nerven, nur noch ein Erinnern auf der Haut.

Jany prüfte den korrekten Sitz ihrer Brille, öffnete die Augen noch brennend von zu wenig Schlaf, noch ausgetrocknet von zu viel. Sie strich sich ein abschließendes Mal langsam übers Haar, die Arme, die Beine, das Kleid, schüttelte den Kopf. Dann drehte sie sich, fand das Erdreich ausgegraben an bekannter Stelle, Kratzspuren am Stamm neben sich, Duftmarkierungen vor sich und folgte dem Weg, den zugehen sie unterbrochen hatte.

Mit ihr zogen die Rufe des Waldes, zurückblieb ein Grollen, fast ein Fletschen des Schattens.

***

Die so rüde unterbrochene Pause gab Jany nicht genug Kraft, um zurück zum Sandfluss zu gehen, um ihre Reise fortzusetzen, ohne Gefahr zu laufen erneut an Ort und Stelle zusammenzusacken, an Stellen, wie der gerade eben, an Orten, welche womöglich noch ungeeigneter waren.

Der Schatten folgte ihr nun still, doch spürbar. Er umkreiste sie mit einem Male, zog voran, dann kurz nach links, nach rechts, wieder vor, ward plötzlich ungesehen. Für Minuten, für viele Meter lief Jany ungestört, bis er schließlich geschwind auf sie zu kam.

„Komm mit mir.”, eine Aufforderung.

„Vertrau mir.”, eine Bitte.

„Ich will nur helfen.”, ein Flehen.

Er hatte sie doch noch nie im Stich gelassen, so sagte Jany sich erneut, so überzeugte sie sich schließlich selbst und folgte ihm langsam, angespannt, mit Bedacht auf die Lage der Bäume um sich und dem Weg unter ihren Füßen.

Er hatte ihr immer geholfen. – Er war fast ein Freund. – Er war mit Vorsicht zu genießen. – Er wollte nur ihr Bestes. – Er verlangte zu viel…

Als sich der Wald schließlich vor ihren Augen auftat, entschwand ihr ein schwerer Seufzer, entknotenden sich krampfende Muskelknäuel in ihrem Rücken, rutschten die Schultern ein spürbares Stück tiefer und erhoben sich ihre Lippen zu einem schwachen, aber ehrlichem Lächeln.

***

Die Lichtung war kleiner, als die ihrige. Licht ergoss sich durchs lichtere Blätterdach, dichtes Gras überdeckte den offenen Boden, keine Sträucher diesmal, keine Pilze, drei kleine Felsen entlang eines Baches aus klarem Wasser, der sich ohne sichtbaren Anfang und mit abrupten Ende quer durch die Rasenfläche zog. Starke Bäume bewachten das Kleinod, standen im Kreis dicht beieinander, doch mit ausreichend Abstand, um Besuch zu gewähren.

Janys leuchtende Augen blieben auf dem winzigen Bachlauf hängen, während sie sich zu den Felsen begab, sich ohne Bedenken niederlegte und die Augen schließlich schloss.

Wasser ist Leben.

12

der Stillstand

Ausgeruht, erfrischt, mit Elan, begeistert, ohne Zweifel… all das hätte Jany nur zu gern empfunden, als sie nach unbekannter Zeit aus ihrem traumlosen Schlaf hochschreckte.

Ihr war bloß seltsam kalt, nein, ihr war heiß… die Körpertemperatur im Ungleichgewicht, stellenweise eiskalt – die Finger, die Füße, die Wadenrückseite, eine Handbreit über den Knien, drei Fingerbreit der Innenseite ihrer Unterarme, dann wieder von Innen heraus verbrennend – der Brustkorb, zwei Handbreit der Oberschenkel von der Hüfte aus, die Füße erneut; unlogisch. Ein Wechselspiel von zu kalt und zu warm, ein Spiel, was zu spielen Jany ablehnte.

Die Nachwehen des Insektenangriffs, der Schmerzflut, der sensorischen Überreizung…

Insekten… … Eine jede Art passend zum Reiz.. Insekten?

Unlogisch!

Aber Jany hatte sie gesehen! Warum auf einmal? Noch nie war ihr die Sicht auf das Leben im Augenblick des Geschehens gelungen.

Waren sie das Abbild oder die Abwehr des Waldes?

Hatte ihr Geist sie lediglich erdacht?

„Wasser ist Leben.”, legte sich die sanfte Stimme des Schattens über sie und brach ihren Gedankenkreisel. Mit verquollenen Augen sah Jany sich um, blinzelte einige Male gegen die leicht verschwommene Sicht an, betrachtete das Gras vor sich genauer und entdeckte einen glitzernden Tautropfen. Prominent ruhte dieser auf der Wölbung einer Grashalmspitze, lag wie eine Perle auf – unwirklich statisch. Erst als Jany Abstand nahm und ihr Blickfeld erweitere, erkannte sie die unzähligen Tröpfchen um sich herum. Im Gras ringsherum, auf den kleinen Felsen im Rücken, an Baumstämmen zu allen Seiten…

‚Wasser ist Leben‘

Als Janys Blick schließlich auf den Bachlauf fiel, erkannte sie, dass sie sich diesmal nicht im Wasser abgekühlt hatte, wie sonst immer, wenn zu ihrer Lichtung, zu ihrer Quelle gelangt war. Vielleicht war diese Reizverwirrung ja gar nichts Neues, vielleicht war es ihr bisher einfach nur nicht aufgefallen, denn vielleicht war es das Wasser, was sie immerzu heilte, was ihr Gleichgewicht auszurichten vermochte? …‘Wasser ist Leben‘…

Lebenswasser für sie und für den Wald – unsichtbar außerhalb der Lichtungen, unterirdisch vielleicht; geheimnisumwoben, kraftvoll.

Mit gezwungener Ruhe und Gelassenheit legte Jany sich nun in den kleinen Bachlauf hinein, ließ das Kleid sich vollsaugen, eines verdurstenden Wesens gleich, benetzte das Haar, wusch den Waldschmerz von den Gliedern und ward wie Neugeboren.

***

Die Strecke zurück zum Sandfluss nahm Jany mit ausgesprochener Leichtigkeit, erfühlte den Weg mehr als das sie ihn sah. Sie traute sich einfach nicht zu genau hinzusehen, weder vertraute sie den Bäumen so ganz sich an Ort und Stelle zu halten, noch wollte sie riskieren erneut in blauen Flammen zu stehen.

Der Schatten, sich wohl ihres Zutrauens sicher, hatte sie scheinbar verlassen, ließ sie zumindest allein für den Moment. Wieder am Waldrand angekommen, löste Jany das Kreuz aus Ästen und Ranken auf und verband das Material zu einem breiten Balken, den sie am Wegrand als Streckenposten, als Markierung und Absicherung zum Wiederfinden der Lichtung, zurückließ, obgleich der ungleiche Schmerz, der Temperaturirrsinn, die visuelle Schau, bloß noch entfernte Erinnerung war.

Lichtungen mit Stamm-Umzäunung, kleinen Felsen, dichten Rasen und Wasserkörper sollten es sein; anscheinend, augenscheinlich, offenbar.

Ein spezieller Schutzbereich; wie für alles in dieser Welt, in diesem Leben – ihr Zimmer, die Regentage, die Lichtung im Wald. Rückzugsbereiche: abgeschlossen, eingekapselt, umhüllt… nur für sie… für sie allein.

***

Für eine gute Weile lief Jany ohne auf Hindernisse zu stoßen, aber auch ohne dass der Sandfluss an Breite abnahm. Im Gegenteil er schien zu wachsen und trieb sie so weiter in den Wald, mitten durch die konkurrierenden Bepflanzungen, noch immer unter dieser Grabesstille, die so im Gegensatz zum Artenreichtum um sie herum bestand. Zu Hören nur die eigenen Schritte, der schwere Atem, ein zunehmendes Knirschen zu ihrer Rechten; die Bewegung von Geröll im Fluss – nein, das Grollen des Flusses. Reibungen in den Strudeln des Sandes, Aufschlag der Wellen gegen Barrieren, Anstieg der Lautstärke in gewichtiger Strömung.

Wollte der Fluss womöglich über einen Wasserfall aus Treibsand springen und in einem Sandsee münden?

Hieß das dann ein Abgrund im Wald, ein Riss durch das Land, ein Nicht-Weiterkommen, ein Niemals-Ankommen?

Das Treffen auf einen Wall vor sich, unterbrach Janys Weg mitsamt ihrer aufkommende Schreckensvorstellung.

Ein Felsen, eine Wand aus Stein, türmte sich vor ihr auf, grenzte an den Sandfluss zur einen Seite und zog sich tief in den Wald zur anderen.

Wie tief, das würde Jany nicht erfahren, da sie sich nach einigen Metern durch eine Felsspalte gedrückt hatte und nun inmitten des Felsens, wie zwischen zwei Mauern stand.

***

Blanker Steinboden unter den Füßen; Wärme, beinahe angenehm. Helligkeit ohne sichtbare Lichtquelle; kein Spiel aus Licht und Schatten. Verschluckte Geräusche; kein Grollen, kein hörbares Atmen, kein deutliches Auftreten. Gelb rechts, grün-braun links, grau vor ihr und im Rücken, blau, wenn sie den Kopf in ihren Nacken legte; wie Farbkleckse, nein, sauber abgegrenzte Farbflächen. Ein Malbuch nur mit Hintergründen, nicht sehr detailverliebt.

Nach wenigen Schritten dann eine Formation aus Steinen – kleine Felsen säulenähnlich zu einer Schnecke geformt.

Dahinter dann wieder eine Mauer.

Janys Neugier war geweckt und sie folgte dem Verlauf der Felsen, lief hinein in den bewegungslosen Strudel, der das Sonnenlicht verschluckte und die Temperatur abfallen ließ, in dem es jedoch nach wie vor hell, fast schon grell war. Am Schluss des Schlangengangs stand eine Sonnenuhr, die keine Zeit anzeigte, anzeigen konnte, da beleuchtet durch dieses stete Oberlicht, das nun mehr künstlich wirkte. Drei Säulen auf der Rückseite der zeitlosen Sonnenuhr verziert mit Abbildungen von stehengebliebenen Chronometern; festgefrorene Zeit.

Rotes Graffiti auf Marmorgleichen, milchig-weißem Untergrund. Eine jede Uhr zeigte eine andere Zeit, ohne klares Muster, nur wild durcheinander – so sinnvoll, wie gar keinen Zeitmesser zu besitzen.

Kunst? Ein Code? Nur ihre Idee von Uhrdarstellung? Zufall?

Der Möglichkeiten viele, ließen Jany lediglich mit einem Gefühl der Leere zurück. Hier, umgeben von Leblosigkeit, von schreiend lauter Stille, von Licht ohne Schatten. Die Zeitlosigkeit umgeben von Uhr-Piktogrammen zog den Verlust ihrer eigenen Uhr, ihrer bekannten Routine wieder an die Oberfläche ihrer Gedanken. Es war eine Sache nur grob zu wissen, wie viel Zeit an einem vorbeigezogen ist. Den Tag, das vergehen von Stunden verknüpft über feste Rhythmen, aufgehängt an willkürlichen Orientierungsdaten – Tagesbeginn, wenn das Holz der Treppe knarrt, Nacht, wenn man die Augen schließt im eigenen Bett, die Zeit dazwischen abgemessen durch die Zeiger unterm Klebeband. Jany vermisste es, vermisste nun alles, da es ihr schließlich in den Sinn zurückgekommen war.

Warum war ihr all das entfallen, als sie blindlings nach der Dunkelheit, nach etwas Neuem suchte?

Weshalb hatte ihr die Sicherheit des Hauses und der Lichtung nicht genügt?

Was wollte sie wem beweisen?

Wut, Zweifel und Verzweiflung…Verzweiflung, Zweifel, Wut – ein Windzug kam auf, umwirbelte sie, einer Windhose gleich.

„Ich hatte dich gewarnt.”, fiel es als Antwort auf ihre stillen Fragen von allen Seiten auf sie nieder.

„Du bist hilflos.”, hallte es im Marmorwald.

„Kein Wunder, dass du allein bist.”, legte es sich kalt um ihren Nacken.

Sie wollte sich wehren, dem Schatten sagen, dass er im Unrecht war, dass die Situation nicht ihre Schuld sei, dass sie es sich nie ausgesucht hatte hier und jetzt zu sein, in diesem Vakuum zu leben… zu existieren, denn leben ist doch sicher etwas anderes!

Doch Jany blieb stumm. Erdachte sich nicht einmal die so wichtigen Argumente zur Gegenwehr, zum Auflösens dieses, ihres Gedankenreigens. Der scheinbar schon immer da war, mit ihr wohnte, mit ihr reiste und sie einfach nicht loszulassen schien. Sie musste mehr als bloß Worte finden, um ihn endlich zu durchstoßen, dessen war sie sich bewusst, doch selbst für Worte fehlte ihr nur allzu oft die Kraft.

Ohne den stehenden Uhren noch einen Blick zu schenken, rannte sie los, heraus aus dem Strudel des Stillstands, zu einer Spalte im Felsen auf der anderen Seite der Leere aus Stein.

Jany kam erst zum Stehen, da sie wieder am Waldrand stand, den Sandfluss rechts von sich, nun wieder breit, wie zu Beginn ihrer Reise – kein Sandfall also, kein See, kein Abhang; keine Änderung.

13

und die Stille

Die Wegstrecke verblieb nun ohne weitere Störungen, fast eines simplen Wanderwegs gleich, beinahe schon ein fester Pfad; ausgetreten seit langer Zeit.

Jany mutmaßte kurz sich auf einem Wildwechsel zu befinden, doch das erschien unwirklicher noch, als der Gedanke, dass Reisende vor ihr hier entlang gekommen waren. Wanderer von der anderen Seite des Flusses, deren Weg an der Mauer seinen Abschluss gefunden, die den Felsspalt nicht bemerkt, die sich vielleicht in den Tiefen des Waldes verirrt hatten oder enttäuscht umgedreht waren, zurückgekehrt zum Bekannten, wiedervereint mit den Ihrigen, mit ihrem Zuhause.

Die Stille des Waldrandes kam Jany jetzt noch lauter vor, als vor ihrem Durchtritt durch die Wand aus Stein, vor der Felsformation, vor den absurden Uhrpiktogrammen. Das Tierleben noch immer verschwunden, in Ton und Spur, kein Lüftchen regte sich in den Pflanzen, kein Knarzen im Geäst, auch der Sandfluss blieb ruhig, bewegungslos, wie erstarrt. Selbst ihr Atem, der Herzschlag, die Schritte verstummt. Sie sollte etwas in die Stille rufen, so kam ihr in den Sinn. Sie könnte auch singen oder monologisieren, einfach ihrer eigenen Stimme lauschen und sich und die drückende Stimmung im Selbstgespräch vergessen. Sie sollte, sie wollte… Doch ihr Hals war wie zugeschnürt, drückte sich mehr und mehr zusammen mit jedem Meter, den sie lief. Es war als hätten sich Finger um diesen herumgelegt – fast konnte sie jeden einzelnen von ihnen spüren; lang und knochig, eiskalt und heiß, kraftvoll und gnadenlos; ihre Luft abschnürend. Und so fühlte sie bald das leichte Brennen der Lungen, den beginnenden Schwindel, die Taubheit, welche Stück für Stück durch ihren Körper zog. Doch sie wollte nicht aufgeben, sie wollte nur noch weiter, zum Ende des Weges.

Also schritt sie voran in Geräuschlosigkeit und Stillschweigen auf tonlosen Wegen, versenkt in Grabesstille mit nichts als sich selbst zur Ablenkung. Verständlich, dass Jany den plötzlich heranrollenden Krach im eigenen Kopf beinahe genoss. Ein gewaltiges Rauschen, da sich alle je gehörten Geräusche zu einem Orchester der Erinnerung zusammenfügten und jeder Wimpernschlag eine neue Strophe hinzu schrieb, jedes Ohr eine andere Tonlage wiedergab; lauter, immer lauter, fast betäubend – was ihr schon wieder ironisch erschien, aber auch einen erschreckenden Gedanken mit sich brachte.

Abrupt blieb Jany stehen, sah sich um und suchte einen der solideren Baumstämme auf. Sie klopfte so stark dagegen, wie es in ihrer fliehenden Kraft lag. Denn sie musste sichergehen, dass es hörbar sein würde. Dass es sogar das Grollen des Sandes übertönen könnte, gäbe es dieses noch und dass es vor allem den eigens inszenierten Sturm ihrer Nerven übertraf. Ganz nah hielt Jany ihr Ohr dabei an den Stamm, als stände sie vor verschlossenen Türen und lauschte ins Innere eines Hauses in Erwartung Rütteln an Türgriffen, Schritte auf Treppenstufen, Umdrehen von Schlüsseln zu hören. Jany hielt vor lauter Anspannung auch noch den letzten Rest des Atems an, den sie nicht mehr wahrnahm und schlug dreimal, im Takt von Sekunden, deren Ticken sie noch gut im Ohr hatte, gegen das starke Holz.

‚Tick, Tick, Tick‘, drang es durch Janys Gedanken

‚Tock, Tock, Tock‘, entgegnete ihr dumpf der Baumstamm.

Das Gehör funktionierte also, es musste einfach!

Nicht ganz zufrieden, aber überzeugt genug zog Jany weiter auf diesem ach so leichten, wenn auch zermürbend ruhigen Weg. Auf wackeligen Beinen und mit dröhnendem Schädel, überwand sie ein gutes Stück Strecke ohne dass der Sandfluss ein sichtbares Ende fand oder auch nur ein bisschen schmaler wurde.

Fluss, Wald, Pfad eine einzige Wiederholung, bliebe sie stehen, das Bild wäre das gleiche; eine Szenerie in Endlosschleife; Gleichförmigkeit.

Ihren Unmut herauszuschreien, kam Jany wieder in den Sinn, doch zu deutlich fühlte sie die Umklammerung ihres Halses. Auch wusste sie inzwischen nicht mehr so recht, ob ‚Unmut‘ das passende Wort für ihre Gefühlslage darstellen konnte. Sie empfand mittlerweile eher etwas, wie Resignation und obgleich sie nicht erschöpft war, wollte sie nur noch ruhen, sich zusammenkauern, dem Gesang des Waldes, nicht ihrer Nerven, lauschen und die Zeit abwarten bis dass sie diese wieder würde spüren können.

„Bring mich zur nächsten Lichtung.”, bat Jany schließlich stumm in das Nichts hinein.

Der Schatten trat wortlos hervor, bedeckte sie schützend, griff nach ihrer Hand und so zogen sie gemeinsam, wieder vereint, wie zu Einem verwoben, tiefer in den Wald hinein.

***

Die Lichtung, nun noch winziger als die Vorherige, umzäunt aber mit Bäumen, ausgelegt mit Rasen, bestückt mit kleinen Felsen und einem Wasserkörper, wenn dieser auch mehr einer Pfütze gleichkam, als allem anderen. Diesmal leuchteten ihr wieder ein paar Pilze und Blüten entgegen. Oh und wie froh war Jany, da sie auch endlich das so vermisste Zwitschern, das Flattern, das Rascheln und Kratzen zu hören bekam. Ein kleines Lächeln der Zufriedenheit konnte sie sich nicht verkneifen, obgleich ihr inzwischen eher nach Aufgeben zumute war, lauschte sie über das Tierleben hinweg und in sich hinein.

Als sie sich schließlich niederlegte, neben die Steine mit Blick auf das Nass, fühlte sie sich leicht und schwer zugleich, kniff ihre Augen zusammen, atmete nun hörbar tief, schnell fast, über die Nase ein und aus und erwartete seine schneidende Rede. Wartete auf Worte, die ihre Zweifel untermalen würden, die aber auch stets den Wunsch auszulösen vermochten dem Schatten und sich selbst das Gegenteil zu beweisen, die Kraft gaben der Windhose ihrer Gedankenwelt zu entfliehen.

Jedoch, die Worte, die sie so verachtete, die sie so sehr brauchte, erreichten Jany nie. Der Schatten wachte nur schweigsam über sie, sichtbar zwar, aber sie nicht störend.

Er verblieb auch stumm, da er Jany später zurück in die Stille führte, in welcher sie gleichfalls schweigend ihren Weg fortsetzte bis dieser sich endlich wandelte, sich verschloss und sie zwang in den Wald zurückzukehren und wie schon zu Beginn ihrer Reise die Strecke ganz dem Prinzip ‚Versuch und Irrtum‘ zu finden und sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.

Vergessen die Unmusik der Nerven, akzeptiert die Stille ihres Seins; beinahe, fast, ein wenig.

14

rundherum entgegen ziehen

Das Suchen und Finden begehbarer Pfade fand zu schnell wieder ein Ende und so lief Jany erneut, wie schon ewig?, auf geradem Weg ohne Hindernisse, ohne Wandel in Bild und Ton, ohne Zeitgefühl.

Die Bitte eine neue Lichtung aufzusuchen, um zu Ruhen, obgleich sie fit war, um zu Lauschen nach unsichtbarem Leben, um einfach zu Sein, lag Jany bald wieder auf der Zunge. Sogar der Gedanke die Brille abzunehmen, nur um die Bäume springen zu sehen, sich selbst im Wandel zu verlieren, flackerte kurz auf und später würde sie nicht mehr sagen können, ob es ihr tatsächlich ernst gewesen war. Ob sie, um dem drögen Nichts zu entgehen, die Reise, die Suche, ihr Sehnen nach etwas Neuem, etwas Anderem aufgegeben hätte. Denn natürlich hätte der Schatten sie gerettet, hätte sie ungefragt zu einer Lichtung gebracht, da wo die Bäume immer festverwurzelt waren, da wo Jany auch ohne Hilfsmitteln den Platz nur wechselte, wenn sie dies wünschte. Ja, der Schatten würde sie führen und sie würde ihm folgen: in den Schutz einer Lichtung, mit Baumzaun, Felsenkunst, Rasenteppich, Wasserkörper, Tierspur und angenehmer Wärme. Nur, es wäre kein Zwischenstopp, kein einfaches Ausruhen bis der Geist wieder willig ist – sein Ziel wäre ihre Lichtung und damit das Ende ihrer Reise. Sie konnte beim besten Willen nicht sagen, ob es ihr dann gelingen würde je wieder die Kraft aufzubringen und den Weg noch einmal zu gehen.

‚Geduld und Zuversicht‘, kam es Jany mit der Stimme der alten Weisen in den Sinn. Das Medaillon um ihren Hals glühte wie zur Bestätigung auf, erinnerte sie an Worte, an ein Mantra welches sie sich selbst gewählt hatte vor so unbestimmbarer Zeit.

‚Geduld und Zuversicht‘ wünschte sie sich nun als Wegbegleiter.

Mit festem Griff am Medaillon und starrem Blick in die vorausliegende Ferne geheftet, trieb es Jany nun wieder erstarkt voran.

***

Bald schon führte der Pfad, der wie vorgegeben unter ihren Füßen lag nach links, nur um dann wenige Meter später rechtsherum zu schlagen, dann zurück zu führen; in Gänze einen Kreis bildend.

Verdutzt überlegte Jany, ob sie nun in einer Wendeschleife, in einer Sackgasse gelandet war. Doch der Ring hatte nicht zurück zu den Weg geführt, von dem aus sie gestartet war, sondern lief erneut in einer kurzen gerade Strecke weiter, bevor er dann wieder nach links einschlug und den nächsten Kringel zu formen begann.

Ein Verlassen des Pfades kam nicht in Frage, da dornige Sträucher diesen zäunten, welche sich wie von Zauberhand nur beim Einstieg in den Folgekreis öffneten.

Jany drehte ab, lief zum Ausgangspunkt zurück, um zu sehen, ob es günstiger wäre den Drehweg zu umwandern und sich durch den tieferen Wald zu schlagen.

Nur gab es kein Tiefer-in-den-Wald-hinein, denn unweit vom eintönigen Waldrand waren nur noch Stämme zu sehen –  in Reih und Glied sperrten sie den weiteren Zugang zum Rest der Waldfläche ab. Es war Jany bis zu diesem Augenblick nicht aufgefallen, dass zwar der Pfad unter ihren Füßen unverändert lag, sich aber alles andere in solch neue Züge gewandelt hatte; zu sehr war sie in ihre eigene Gedankenwelt versunken gewesen, zu sehr hatte sie auf Veränderung gewartet, um diese zu bemerken.

Was blieb, wäre entweder ganz umdrehen, die eigenen Schritte zurückverfolgen bishin zum Anfang vom Ende oder aber weiter voranzuschreiten, den Kreiselweg zu gehen und das Ziel zum Startpunkt zu finden.

***

Noch ein letztes Mal tief Luft holend, begab sich Jany nun auf den direktesten Weg am Sandfluss entlang und bemühte sich dabei sehr die Ironie dahinter nicht zu bemerken; dieser zumindest nur wenig Beachtung zu schenken. Ein Kopfschütteln konnte sie sich dennoch nicht verkneifen. Auch nicht die Überlegung, dass dieser Pfad, umwachsen von Sträuchern, die dank ihrer Dornen keinerlei Abkürzung zuließen, doch unmöglich dem Zufall entsprungen sein konnte. Ein Weg, wie eine Aufgabe. Erdacht, geschaffen, zu prüfen den Wanderer.

Sollte diese Strecke auf der Suche nach einem Weg zur anderen Seite des Flusses den Reisenden prüfen oder gar abschrecken? Galten die Erschwernisse den Bewohner ihrer Seite des Landes, ein Zusatz zur Grenze des Sandflusses, ein Versuch die Menschen im Land zu halten oder ein Abhalten der Anderen einzudringen?

Janys Gedankengang umschlängelte den Kern ihrer Fragen so unumwunden, wie der Pfad unter ihren müden Füßen sich in die Länge zog.

War ihre Welt ein Gefängnis?

Nie hatte Jany wirklich hinterfragt, wo sie war und warum. Wen hätte sie auch fragen sollen, wo doch niemand mit ihr sprach. Immer war sie davon ausgegangen, dass ihre Erinnerung schon noch zurückkommen würde, dass sich ihr das Wer und Wann erschließen wird im Laufe der Zeit. Nun aber, da sie auf dieser sinnlosesten aller Strecken unterwegs war, im Kreis lief, um doch gleichzeitig den direktesten Weg zu gehen, empfand Jany es beinahe unmöglich die Umstände, in denen sie so etwas wie lebte noch in eine nachvollziehbare Logik zu pressen.

Sie erinnerte irgendwie Einiges, erklärte sich damit die Welt, in der sie wandelte und fragte sich gleichzeitig, ob es nicht besser gewesen wäre, alles und jeden von Neuem zu begegnen, ohne das Hintergrundrauschen eines löchrigen Gedächtnisses. Bestimmt war doch alles, wie es gehörte und nur sie verstand es nicht recht, bezweifelte jetzt sogar jeden Umstand. Das hatte sie vor der Begegnung mit der Dunkelheit nie getan. Damals, vor langer Zeit, obgleich erst Tage her, hatte sie sich einfügen gelernt, hatte sie ihren festen Platz in dieser Welt; einen Platz zumindest.

Jetzt da Jany wortwörtlich Kreise um sich drehte, vermisste sie das Früher, die Routine, ihr tagtägliches Gleich umso mehr.

„Dir bleibt immer umzukehren.”, bemerkte die Stimme des Schattens fast süßlich.

„Ich führe dich zurück.”, schloss er an.

Jany schluckte hörbar, fand keine Worte dagegen und lief schweigend weiter.

***

Die Füße schmerzten, die Beine wurden schwer und schwerer, Blut tropfte aus Schnitten, gewonnen in Zusammenstößen mit der Bepflanzung, Augen schlossen sich im Sekundentakt.

„Ruh dich aus. Es wäre kein Aufgeben. Es wäre ein Einsehen.” Des Schattens Worte, wie Honig. Sie umflossen Jany, klebten an ihr, gaben kurzfristig Kraft, während sie Energie kosteten beim Verdauen.

„Der Weg ist umsonst gelaufen, du wirst sehen. Ein Abenteuer lediglich. Aufzugeben ist keine Schande. Es sollte halt nicht sein.”, hafteten seine Worte, wie Kletten, kitzelten fast angenehm, zerstachen sie zugleich.

Wieder eine Linkskurve, ein paar Meter geradeaus, eine Wende rechtsherum und ein Stück zurück.

„Gibt es überhaupt ein Ziel, wenn Leben heißt laufen auf der Stelle, wie im Rad.”, schlugen die Worte, wie Steinchen auf Jany ein, kleine Löcher in vielen Wunden.

Erneut führte der Pfad nach links, dann geradeaus.

„Ist es das Schinden wert?”, flog ein letzter Brocken in ihre Richtung.

Ihr Medaillon fest umklammernd, den Schatten standhaft ignorierend, stolperte Jany unbeirrt weiter und erreichte schließlich den Ausgang des Dornenweges.

„Bring mich zur nächsten Lichtung!”, brach ihre Stimme nun hervor. Es war kein Flehen diesmal, sondern ein Auftrag, der keinen Widerspruch duldete.

15

steter Tropfen höhlt den Stein

Jany betrachtete die neueste Lichtung kaum genauer. Sie hatte sich unter den kleinen Wasserfall gelegt und genoss nun jeden Lebenstropfen auf ihrer Haut. Der Schatten schwieg. Er brauchte nichts mehr zu sagen, seine Worte hatten sich inzwischen vollkommen eingebrannt, eingeschleppt in ihre Gedankengänge, zogen Bahnen längs ihrer Überzeugung, verwoben sich mit dem Urzweifel, welcher seit ihrem ersten Erwachen auf Aufmerksamkeit drängte, Beachtung einforderte in zu stillen Momenten, nach Träumen vom Gegenteiligen, in wachen Augenblicken umgeben vom bekannt Befremdlichen. Halbparasitären Pflanzen gleich – Halt suchend am Stamm, dem Sonnenlicht entgegen strebend, im Kronendach zuhaus, sich selbstversorgenden durch Fotosynthese, aber Wasser und Nährstoffe dem Wirt entnehmend, ihn schwächend dabei, ihn mehr Hülle werden lassend, das Leben aussaugend; langsam, stetig, unaufhaltsam.

Janys Augenlider flattern auf, ihr Blick starr, der Atem gezwungen ruhig, ein Stechen im Brustkorb. Sie war erschöpft, noch immer erschöpft. Zu laut auf einmal das bedeutende Schweigen des Schattens, dröhnend fast die Stimmen im eigenen Kopf. Sie wollte nicht zum bloßen Hohlkörper nagender Gedankenkreise werden; nicht ohne Gegenwehr. Ihre Lider fest verschließend, zog sie das Wasser, wie eine schützende Decke über sich, sperrte sich vor dem Rest der Welt, den unangenehmen Vermutungen, den überlauten Behauptungen, den bohrenden Möglichkeiten.

Die Lichtung, das Fleckchen Grün, lag diesmal still um Jany herum. Die Tierwelt schlafend, in der Ferne lauernd, aus dieser Ecke des Waldes vertrieben, diese nie erreicht habend… Sie glich einer Kammer in Größe und Form. Zusammengekauert passte Jany genau hinein, unter das Wasser, umringt von Fels, gespickt mit Gras, eins, zwei Pilze als Dekor. Die Wand, das Dach der Bäume angeschmiegt, beinahe bedrückend. Der Wasserfall, die Lebensquelle, regnete sanft auf sie nieder, verlor sich im Untergrund, hinterließ keine Spuren am Boden; versorgte im Geheimen den Wald.

***

Auf wackligen Beinen fand Jany ihren Weg zurück zum Waldrand, sah, wie gewohnt den Fluss aus Sand unter blendendem Himmel, die Konkurrenz der Arten im Halbschatten der Bäume, das Spiegelbild dazu auf der anderen Seite; immer dasselbe.

Nach einer Drehung nach links schritt sie dennoch voran, weiter auf ihrem Weg, auf ihrer Suche nach dem Neuem.

***

Was nun folgte, waren ereignislose Tage des Wanderns unter denen Jany auch den letzten Begriff für Zeit verlor.

‚Tage‘ stand nur noch für ‚die Zeiträume zwischen Zwangspausen‘, welche sich immer schneller und unter größerem Druck einforderten, die sie aber auch nicht zu sehr in die Länge zog, ziehen wollte, denn ohne Zeitgefühl, ohne eindeutige Zeitmesser, stand sie nur noch unter Zeitdruck. In dieser ihrer Welt der Stille, des Stillstands, des Kreiseziehens, der Ziellosigkeit schien die Zeit, so relativ diese auch ist, zu rasen, ihr durch die Finger zu rinnen, zähflüssig, gebremst, gestaucht, gebrochen und wieder von vorn.

Der Schatten schwieg derweil, wenn auch unter hörbar knirschenden Zähnen, dass es ihren Unterkiefer schmerzte. Wie lange sie schon unterwegs war, blieb für Jany nicht mal mehr zu vermuten. Verzerrt in Übererinnerung die Einschätzung seit wann genau es sie unablässig in die unklare Weite zog. Mit jedem Schritt schienen sie drängender, aufdringlicher die Fragen nach dem Wann und Wie weit – zu welchem Zeitpunkt die Unbewohnbarkeit ihres Hauses sie in den Wald vertrieben hatte und ob sie dem Ziel jenen Fluss aus Treibsand zu überwinden tatsächlich ernsthaft näher kam. Ungewiss war inzwischen auch, dass sie überhaupt vorankam und neue Bereiche ihrer Welt erkundete, dass sie nicht bloß mit jedem Eintritt in den Waldrand, mit jedem Blick zum Ufer des schier Unüberwindbaren lediglich erneut an derselben Stelle stand. Dass sie nicht einfach den gleichen Abschnitt im gewechselten Gewand wieder und wieder zu überwinden suchte. Dass ihre ganze Reise nicht mehr war als die Wanderung in einem Laufrad.

Ihren Kopf schüttelnd, wie zum Verneinen des nagenden Zweifels, erinnerte Jany sich abermals daran – versicherte sich selbst – dass doch schließlich der Wald, der sich früher so sprunghaft verhalten hatte, zur Ruhe gekommen war, seitdem sie ihre goldene Brille trug und die Welt durch gelbe Gläser sah.

„Doch kannst du dem Zauber tatsächlich trauen?”, flüstere es, wie aus ihrem Munde.

NICHT

Jany zischte um sich. Widersprach sich selbst, wollte den Schatten ausbremsen, welcher scheinbar nur zu gern ihre zweifelnde Gedankenwelt bestätigen wollte; warm, klebrig, sie einschließend, sich um sie drehend – rundherum und wieder von vorn… Blätter verwirbelt im Wind…

Doch war es das? War genau so das wahre Leben? Hätte ihr das klar sein müssen? Die Normalität einer ständigen Wiederholung des Ganzem, die andauernd neue Bestätigung alter Erfahrungen? Hieß das nun Alltag? Ihre Reise auf der Suche nach etwas Anderem verdichtete sich mit jedem weiteren Meter zu einer Situation, die ihrem Leben vorher auf absurde Weise glich…

Wieder ein Kopfschütteln, dann ein Ausstoßen gehaltener Luft, ein verschlucktes Aufstöhnen und schließlich das Fortsetzen der Wegstrecke.

Ein Ankommen, ein Ziel, ein Ende als Anfang – Jany wollte es so gern! Wollte diese, ihre Reise. Wünschte sich Realität in ihrem Traum von einer neuen Welt. Verlangte etwas anderes, als die Gleichförmigkeit ihres Lebens, dieses Weges, welcher ständig neu und altbekannt unter ihren Füßen wuchs.

Ein Knallen plötzlich, dann ein Pfeifen, ein Aufheulen, Geröll am Himmel der Gegenseite; Gewitterstimmung. Dunkelheit brach ein, im Abstand zweier Herzschläge. Eine pechschwarze Wand, wie ein Vorhang herabgelassen und die beiden Landflächen, die Welten trennend. Der Fluss, noch immer im Sonnenschein, lag diesmal wieder laut und grollte, war aber beachtlich schmaler als sonst. Schlug nun wild um sich – in hohen Wellen, wie Lawinen über das Ufer hinaus in Richtung der Schwärze. Ein Sturm herrschte drüben, ohrenbetäubend der Wind, kein Lüftchen bei ihr.

Jany war mehr beeindruckt als erschrocken und hielt den Blick auf das Schauspiel gerichtet, während sie unbeirrt weiterlief.

„Pass auf!”, durchbrach der Schatten mit dröhnender Stimme den Sturm.

Janys blieb abrupt stehen, die Warnung mehr als deutlich hallte noch in ihren Ohren. Der Treibsand floss direkt vor ihr und spukte eines Geysirs ähnlich Sand aus. Erst hoch in die Luft, ungezielt, dann die Richtung wechselnd, aber nicht einfach zurück… plötzlich wie Hände, flach, gestreckte Finger, gespitzte Nägel, wie Krallen fast. Weit aufgerissenen Augen, Beine unbeweglich, steif, wie angewurzelt, beim nächsten Atemzug, den zu nehmen Jany kaum wagte; pfeilartig schossen die Sandfluten auf sie zu, griffen nach ihr. Ohne nachzudenken, langte Jany nach dem Baumstamm neben sich, krallte sich fest, umklammerte ihn schließlich, den Blick nie vom Sand abwendend, welcher nun an ihren Füßen zog. Sie zu holen, zu verschlingen. Um dann doch abzulassen, sich erneut in die Höhe türmend, gewaltiger werdend.

Jany ließ zügig vom Stamm ab, bevor auch dieser ihr schaden konnte und rannte blindlings einige Meter zurück.

Der Fluss zog sich scheinbar endlos nach links durch den Wald vor ihr, erzeugte eine Grenze, einen Grenzzaun, riegelte einen jeden Wanderer ab, schloss ihn ein. Der tobende Fluss zu ihrer Rechten setzte sich ebenfalls unaufhaltsam weiter fort, schlug seinerseits Wellen, in Richtung Dunkelheit; der Grenzsand vor ihr also nur ein Ausläufer. Ein Kapillargefäß nur, eines Systems unbekannter Größe. Schmal genug es zu überspringen, mit ausreichend Druck die geringe Breite in Höhe wett zu machen.

Was nun?

***

„Dreh um! Du siehst es geht nicht weiter! Ich bringe dich in Sicherheit. Es ist keine Schande!” Doch die Worte des Schattens fielen diesmal auf taube Ohren. Jany wollte nicht umdrehen, nicht aufgeben, nie mehr aufgeben!

Der Schatten hatte sie gehört, er hörte jedes ihrer Worte; ganz besonders wenn sie schwieg.

„Ich werde dir nicht mehr helfen ziehst du weiter!”, drohte er.

Jany ignorierte auch dies. Statt einer Antwort sah sie sich um, betrachtete die Baumstämme genauer, starrte sie an und war befriedigt, als sie schließlich blaue Flammen sah. Die Hände nah der Funkenschlagenden Rinde, den Blick zum Sandfluss vor sich. Drei tiefe Atemzüge später griffen die Flammen eiskalt nach ihrer Haut, breiteten sich aus, übergossen sie frostig und wandelten sich zu Insekten. Krabbelnd, stechend, saugend, beißend – nicht logisch, nie real! Ein Gedanke, an welchem Jany ebenso standhaft festhielt, wie nun am Baumstamm selbst. Die Knie zittrig, der Kiefer steif, ließ sie die Armada über sich rennen, diesmal ohne Gegenwehr. Ließ alles in ihre Knochen fahren: den heiß-kalten Schmerz, das Kribbeln unter der Haut, das Zucken der Muskeln bis es letztlich zu einem Gefühl wurde, bis nur noch Kälte herrschte, bis die Insektenformen sich zurück in Flammen wandelten. Erst dann ließ Jany ab, rannte, wie um ihr Leben, rannte sicherlich für ihr Leben.

Sie übersprang den Fluss, brach auf der anderen Seite zusammen und wurde vom Sand gepackt. Heiß umschloss dieser ihre Beine, zog Jany zu sich. Doch sie schlug ihrerseits, wie wild um sich, schrie wütend auf, trat aus und krabbelte dabei rücklings in Richtung Waldrand. Sie tastete blindlings nach Wurzeln und krallte sich schließlich an diesen fest, bis der Sand seinen Griff nach langem Kampf letztlich lockerte, sich zurück zog, schließlich ruhte; fast schon unschuldig kaum noch floss.

„Zur nächsten Lichtung finde ich selbst!”, japste Jany nach Luft, schlug die letzten blauen Flämmchen aus und schwankte unbeirrt tiefer in den Wald.

16

Träumen am See

Das Wasser lag spiegelblank vor ihr. Es funkelte, glitzerte mit Steinen, wie Diamanten am Ufer. Ein riesiger See im Meer aus Blüten über Rasenuntergrund, bestimmt. Sitzfelsen, wie Wohnzimmer. Sofa aus Stein, Armstützen berankt, Kissen aus Moos. Der Zaun der Bäume weit gezogen; die Lichtung größer noch als das Haus im vergessenen Leben. Stämme mächtig – hoch gewachsen, Kronendach kaum sichtbar. Deko-Pilze im Halbschatten – stolz die Köpfe reckend. Strahlen der Sonne wärmend, alles überdeckend, nicht gleißend, nie blendend. Summen, Zwitschern, Rascheln. Geruch nach Wald im Regen, nach Bergluft und Meer – feuchte Erde, muffig, abgebranntes Holz, auch klar, fast dünn, kühl, energetisch, dann kraftvoll, salzig, spürbar auf der Zunge; keine Duftmischung, kein Überlagern, ein Wechselbad im Zug der Windrichtung.

Unlogisch.

So ganz anders, als ihre Vorstellung von, ihr Erinnern an, den Aufbau, den Ablauf der Natur, des Systems, entgegen dem: ‚so sollte es sein‘.

Wunderschön.

Ein Wiederaufflammen ihrer schmerzende Haut ließ Jany das heilende Bad im See nehmen, ließ sie alles akzeptieren, was sie sah, ließ sie zur Ruhe kommen, wie lange nicht mehr, wie noch nie. Das Sofa dann bequemer, als es erlaubt sein sollte. Ihr Schlaf traumlos und tief.

***

Das Gesicht aus der Quelle begrüßt Jany zum Morgen, zum Aufwachen, zum Abschluss ihrer Nacht.

Sie hatte es vermisst, ihr Lächeln, ihr Zunicken, ihr Zwinkern, ihre offenen, ehrlichen Augen. Jany hatte sie schmerzlich vermisst, dass bemerkte sie erst jetzt so richtig, jetzt da sie es wiedersah nach all Zeit. Augenblicklich kam ihr in den Sinn, dass sie sich damals, in einem anderen Leben, vor ein paar Tagen, stundenlang hatte verlieren können beim Anblick des Quell-Gesichts. Sich hatte einlullen lassen von dessen bezirzender Natur, Stund um Stund ohne Gedanken an die Dinge, die man tun könnte, die noch zu tun wären – umgeben, geschützt, gehalten von einem Kokon; oh, wie sehr sehnte Jany es jetzt danach!

Und so blickte sie nun sich selbst? ins Gesicht, so sah sie nun ihre Reflexion?, so versank sie erneut in den Tiefen dieser, ihrer hoffnungsvollen? surrealen Träume, so sank Jany nieder und ergab sich dem Sog des Wassers, der Lichtung.

***

Das Leben machte endlich Sinn. Sie spürte die Ruhe, die Gelassenheit, die Kraft zum Weiterwandern… Doch vorerst sehnte sie nach dem Pausieren auf der Lichtung, nun ihrer Lichtung, geschützt, in Watte gepackt, abgeschottet von alldem was ihr drohte, vor alldem, was in Frage zu stellen wäre. Allein und für sich in dieser Stätte zum Ruhen.

***

Jany verbrachte ihre Tage mit traumlosen Träumen, in Wärme, in Frieden, ohne Sehnsüchte, ohne Wünsche nach mehr, ohne Gedanken an Vorher, ohne Hoffen auf Zukünftiges.

Sie verlor sich im Anblick der Quelle, verbrachte Stunden damit die Seiten der Diamantsteine zu analysieren, die Blätter der Blüten zu zählen, dem Leben des Waldes zu lauschen, Pläne zu schmieden, wie die Umgebung der Lichtung am besten zu erkunden sei… schon bald, schon bald würde sie weiterziehen und nach dem neuen Leben suchen… schon bald, ganz sicher, bestimmt.

17

Kampf gegen Windmühlen

Ein Grollen, dann ein Knall weckten Jany aus ihrem Schlaf, ließen sie aufblicken, den Himmel absuchen. Ein gleißend weiß-blaues Licht durchschnitt ihr Sichtfeld.

Dunkelheit legte sich über die Lichtung.

Dunkle, regengeschwängerte Wolken hatten sich zusammengezogen, malten die Nacht, wo es sonst keine gab.

Sturmböen, eisiger Hagel.

Wieder ein Grollen, ein Knurren fast – nicht über ihr, aus dem Wald heraus.

Ein Beben der Erde, ein Rütteln, ein Schieben, ein Knirschen, ein Bröckeln… ein Aufklaffen des Bodens.

Plötzlich… eine Erinnerung… ein Kinderlachen… dann Nichts.

***

Jany erwachte in Scheiß gebadet, mit wildem Herzschlag, mit Rauschen im Ohr.

Die Lichtung lag da, im Sonnenschein, in Ruhe, in Wärme, in friedlicher Unschuld.

Ein Traum, der erste seit dem Finden der Lichtung.

Ein Traum, mehr ein Weckruf, mehr eine Warnung, mehr ein Auftauchen.

Sie war aufgesprungen und rannte los ohne auch nur noch einen Blick zum See, zum Wasser, zum Versinken in sich selbst. Sie wollte zurück zum Waldrand, zurück ihrer Suche  – ganz gleich wie lang, wie verwoben, wie hart…

Alles war besser als sich zu verstecken!

Denn das Voranschreiten, wenn auch nur langsam, verzögert, ausgebremst… das Weitergehen, sich dem Unbekannten Stellen, sich Endgegenstämmen, Aufbäumen, größer machen als man ist… mutig sein, um Hilfe bitten, Entscheidungen treffen und daran festhalten, diese verwerfen, wenn angebracht… sich dem Schicksal fügen, es annehmen, sich darin zurechtfinden, es in die eigene Hände nehmen… auf dem gesteckten Pfad verbleiben, neue Abzweigungen suchen… hieß ‚Leben‘.

***

Sie lief und lief, fühlte sich fast beflügelt… bis sie schließlich das Ende des Weges erreicht hatte, am Ziel ihres Anfangs stand, bis es ihr fast den Atem nahm, da sich vor ihr lediglich die Astgrenze erstreckte, welche den Startpunkt, den Beginn ihrer Reise markiert hatte.

„Ich hatte dich gewarnt.”, erklang die mitleidige Stimme des Schattens. Jany hatte diesen lange nicht gehört, hatte ihn nicht vermisst.

Hätte ihr ein solcher Ausgang bewusst sein müssen? Hätte es von Anfang an klar sein sollen, dass es kein Ende gab, kein Ziel, keinen Übergang in eine andere Welt, keine Hoffnung aus ein neues Leben?

Nein!

Gab es also eine Erklärung? Hatte sie die Wegstrecke irgendwann zu weit verlassen und war tatsächlich abgekommen vom Pfad? Beim Pausieren auf den Lichtung vielleicht… ein verquerer Austritt aus dem Wald… aber warte… nein, ihre Markierungen bezeugten ihr jedes mal den richtigen Weg. Was, nur was war passiert?

„Es sollte halt nicht sein.”, umkreiste sie der Schatten mit sanfter Stimme, „Füge dich in dein Schicksal.”, wirbelte er weiter, „Es ist nicht deine Schuld.”, rundherum, rundherum, „Ich bin für dich da!”

Jany war nach Weinen, nach Schreien, nach Um-sich-schlagen. Es dämmerte ihr allmählich, was das Problem der Wegstrecke war, was es demnach immer sein würde; der Schatten führte es ihr gerade vor.

Der Fluss aus Treibsand umschloss den Wald, der wiederum die kreisförmige Stadt, die verdorrten Grasflächen, die Felder und ihr Haus umzäunte: Schicht um Schicht, kein Anfang, kein Ende. Der Weg am Fluss entlang ein Kreis am Rande ihrer Welt, ein Kreislauf, rundherum, rundherum.

Wie angewurzelt stand Jany nun am Waldrand, am Start- und Endpunkt ihrer Reise, umklammerte ihr Medaillon mit festem Griff und starrte zur anderen Uferseite hinüber. Hin zu einer Welt, die ihrerseits Kreise zog, welche in Gänze Janys Welt umschlossen… rundherum, rundherum.

***

„Komm mit mir.”, säuselte der Schatten, weil ihr ein ‚Bring mich nach Hause.‘ auf der Zunge lag.

Bis mit einem Male ein Kinderlachen, ein Jauchzen ihr Ohr erreichte, da ein Geruch nach Meer die Luft schwängerte, da Jany ein kleines Kind mit rotem Käppi in Richtung Wand verschwinden sah. Das Medaillon noch immer umgriffen, wusste Jany jetzt, was zu tun ihr übrig blieb, was das Einzige war, was sie tun konnte und machte sich bereit, den Blick fest nach wie vor zur anderen Seite, zur fremden Welt gerichtet…

„Bist du dir sicher?”, brachte der Schatten ihre Gedanken zum Stillstand.

Ein tiefer Atemzug.

„Du siehst alles durch die Gläser deiner Brille. Erinnere dich, wie sehr sich deine Wahrnehmung dadurch verändert hat.”, rationalisiert er weiter.

Ein Halten der Luft in den Lungen.

„Woher willst du wissen, dass das, was zu siehst nicht viel mehr deiner Vorstellung entspricht, als dem, was wirklich da ist?”

Ein Schließen der Augen.

„Wie kannst du so sicher sein, dass die andere Uferseite dir überhaupt etwas zu bieten hat.”

Ein langsames Ausstoßen des Atems.

„Bleib hier! Denn hier weißt du, was dich erwartet.”

Jany öffnete ihre Augen und rannte los. Sie übersprang den Sandfluss bis zur Mitte, wurde dort von einer glühend heißen Welle erfasst und sank hinab zum Unbekannten, den Blick dabei bis zuletzt fest zum Ufer gerichtet, mit einem Lächeln auf den Lippen. Denn sie wusste für ein Weiter, ein Anders, ein Neu musste sie die Tretmühle, den Kreis durchbrechen, musste sich selbst Zutrauen entgegen bringen, Selbstvertrauen beweisen, nicht mehr fliehen, sondern wagen. Nur so würde sie das Ziel, ihr Ziel erreichen können.

Epilog

Sattes grün, sanfte Brise, ein Geruch nach Meer.

Salz liegt in der Luft, kein Wasser in Sicht im strahlenden Sonnenschein; Wiese umgibt, Wald am Horizont.

Sie fühlt sich wohl, geborgen, eingehüllt in Licht und Wärme.

Lachen in den Ohren; ein junges Kind hüpft auf sie zu. Springt jauchzend von Grasbüschel zu Grasbüschel, gleich wird es sie erreicht haben.

Ende

nur die Worte fehlen mir

Wolkenbilder ziehen Geschichten schreibend am  Firmament entlang, bezeugen das unstete Sein, den Wandel, das Leben.

Überwältigende Schönheit im Atem der Natur, in Kreisläufen, in Systemen, im Entstehen und Vergehen.

Ein Hintergrundrauschen, ein Strömen, eine Tatsache, ein Gefühl – immer da – kraftvoll,  beruhigend, aufwühlend… im Willen dies Feuer, die Intensität, die Hingabe ans Hier und Jetzt, ans Damals und Später in Worte zu kleiden, auszuschmücken, deutlich, faktisch fassbar zu machen.

Nur mir fehlen die Worte…

im Selbst_Gespräch…Szene auf belaubten Wegen

Den letzten Schluck seines zweifach aufgebrühten Kaffees hinterschüttend, gönnt sich der Autor noch einen Blick auf den leeren – den verlassenen – Sofaplatz links von sich; atmet er nochmals ihren allmählich verblassenden Duft ein; führt sich zum unzähligen Male ihr Lächeln vor Augen.

Die Sonne steht nun hoch am wolkenverhangenen Himmel – müsste hoch stehen, laut der Wanduhr – und dem Autor ist nach Flucht. Flucht vor der Leere… der Stille… dem Warten. Er würde tätig werden!

Die müden Knochen erhebend – ein Stöhnen nicht unterdrücken könnend – in die viel getragenen, weil geliebten, Hosen steigend, das leicht zerschlissenene, aber sicher wärmende Hemd unter der schon gebraucht gekauften, dennoch neu wirkenden Jacke verhüllend, zieht es ihn nach draußen.

Er flieht in die kühle Herbstluft… in den Nieselregen… zu den mit Laub bedeckten Wegen.

Das Rascheln seiner Schritte übertönt vom Lärm des Verkehrs, unterdrückt von der Feuchte der Luft – ein schmatzendes Geräusch unter den Schuhen nur zu vermuten – kommt der Autor vor einem Laubhaufen zum stehen, kniet sich ächzend nieder und betrachtet den Blätterberg vor sich. Nicht der Anmut, nicht die Farbenpracht eines goldenen Herbstes – kein Rot, weder in Kamin noch Wein, kein sattes Gelb, kein Ocker – braun, in hell und dunkel, ja grau sogar, bald vollständig vertrocknend auf nassem Boden, löchrig, mit schwarzen Flecken besprenkelt, angerissenen, zertreten; Spuren des Vergehens.

Ein Ahornblatt in Händen und vor Augen ertönt seine, von zu wenig Nutzung und zu kurzer Nacht, brüchige Stimme: „Noch bräunlich oder schon grau?“

„Wieso fragst du mich nach deiner Meinung?“, schmunzelt seine Muse hinter ihm.

„Du hast die angenehmere Stimme.“ Der Autor nun stehend, den Blick in ihre Richtung bringend, die Gestalt seiner Liebe, seiner Muse vor Augen – immer vor Augen – obgleich sie fehlt.

„Übersieh nicht das Grün.“, säuselt sie, wie Staub im Wind.

Die Stirn in Falten, eine Frage auf den Lippen, das Blatt schon vergessen – nicht vermissend – verlässt seinen Griff… segelt kaum… fällt gar, vom Regen schwer, zu Boden. Die erlebte Erinnerung schon verweht, noch bevor der Autor seine Sprache wiederfinden kann.

Ihm bleibt die dröhnende Straße in den Ohren… die Nässe auf der Haut… die Leere… das Schweigen… das Warten.

Katze4dies ist/wird Fortsetzung von „im Entsehen begriffen“

im Selbst_Gespräch…Szene im Morgengrauen mit dem Blick zur Fensterscheibe

„Was machst du da?“ Ihr Schmunzeln ist hörbar.

„Warten.“, bricht seine Stimme nach kurzem Zögern hervor.

„Auf was wartest du?“  Ihr Kopfschütteln ist spürbar.

„Auf das Licht.“, betont er ungeduldig. Ihr langgezogenes Ausatmen lässt den Autor nachsetzen: „Sonnenlicht; ich will die Blumen am Fenster betrachten. Ich will sehen, wie der Sonnenschein durch die Scheibe fließt, wie er die Eisblumen durchdringt, zum Glänzen bringt… wie sie glitzern bevor sie vergehen. Ich möchte es genau beschreiben können, das Schauspiel in Worte kleiden, die Gefühle darlegen.“

„Die Gefühle?“ Ihr fragender Blick ist schneidend.

„Meine Gefühle.“, zischt er in den Raum.

Der Autor schaut sich nicht um, hält seinen Blick stur aufs Glas gerichtet. Er braucht sie nicht zu sehen, um ihr Stimme zu hören, ihr gespieltes  Schellten zu spüren, um das so geliebte Prickeln auf seiner Haut fühlen.

Er kennt all das so gut; ihren Atem, ihre Wärme, ihre sanfte Haut.

Er braucht sich nicht umzusehen… er weiß, dass sie nicht da ist; noch nicht wieder da ist.

Der Autor vermisst seine Muse, wie er noch nie etwas vermisst hat in seinem Leben. Er vermisst sie so sehr, dass er sich wünscht, er hätte sie nie getroffen… sich nie verliebt… sich nie auf die Gefühle – seine Gefühle – eingelassen. Fast wünscht er es; beinahe sehnt er sich zurück. Manchmal hätte er gern das Empfinden nie erlernt, nie verstanden, sich nie darin verloren…

Denn kann man Vermissen, was man nie kannte?

„Es ist noch zu zeitig, zu warm für Eisblumen.“, lacht sie mit seiner Stimme.

Den Blick senkend, dreht der Autor sich in den Raum… sucht er die Nähe seiner Liebe… badet er in Erinnerungen an sie… lässt sich durchströmen, wie die morgendlichen Sonnenstrahlen nun das Fenster.

 

Katze4dies ist/wird Fortsetzung von „im Entsehen begriffen“

Szene mit dem Kopf auf dem Kissen und dem Geist in den Wolken

Dunkelheit, Wärme, das wohlige Gefühl der Sicherheit augenblicklich durchbohrt, zerbröckelt verflogen durch einen Duft.

Nur den Bruchteil einer Sekunde braucht es, ihn zu wecken, angewidert zu sein, durchflutet zu werden von unangenehmen Erinnerungen.

Was ist es, das diesen speziellen Geruch so unerträglich macht, dass keine Brücke geschlagen wird zwischen Odeur und Mief, dass ihm nichts bleibt als aufzuspringen, das geliebte Nest zu verlassen und die Fenster zu zuschlagen?

…  oder eben selbst nach einer Zigarette zu greifen, um aus passiver Belästigung aktives Kurzweil zu machen?

Nicht mitten in der Nacht, nicht nach milden Träumen, nicht hinter verschlossenen Türen – sie würde es nicht gutheißen, dessen ist er sich sicher!

Wachliegend verliert er sich in einer Faszination für Wahrnehmungsunterschiede, die ausgelöst werden aufgrund unterschiedlicher sensorischer Wege in Verbindung mit Erfahrungswerten…

Acetylcholinrezeptoren lassen sich nur zu gerne besetzen, wie es ihm scheint, überdecken so jede Warnung der olfaktorischen Perzeption… doch niemals losgelöst von der bewussten Konsumierung; lediglich ein Toxikum.

Rücksinnen in Kindheitsmomente verbracht in seltsamer Erregung, ja auf der Suche nach diesem speziellen Aroma auf der Rückbank des Familienwagens. Stets vorgebeugt; so nah wie möglich hin zum Beifahrersitz, zur Mutter, welche rauchend und selbstvergessen den Blick nicht vom Tachometer nahm…

Wann geschah die Neubelegung dieses Geruchs? Wodurch kam die Abneigung, die Abwehr, der Fluchtinstinkt oder eben der persönliche Konsum als Gegenreaktion?

Überwältigende Müdigkeit zieht ihn tiefer in die Federn, weg von den Gedankenströmen, hin zu ihrem Parfüm, das ganz ohne sie noch auf dem Kissen liegt.

Ein eigener Wohlgeruch, schwerwiegend, wie der kalte Gestank einer Zigarette zur Nachtzeit. Gleichbedeutend stets fähig ihn aus seinen Träumen zu rütteln, ihn zu sich zu ziehen, ihn in Erinnerungen an bessere, verlorene Zeiten zu stoßen, ihn zurückzulassen in sonderbarer Wehmut… doch in Kontradiktion niemals abstoßend, abschreckend und keinesfalls in Zweifel an sonst klare Gewissheiten.

Doch geradeeben, in dieser Nacht, auf noch nicht absehbare Zeit bleibt er allein mit ihrem Duft… schlaflos, hellwach, gepeinigt von Monotonie, von Sehnsucht.

Nur er selbst und eine leere Betthälfte, die er nie zu stören wagt.

Katze4dies ist/wird Fortsetzung von „im Entsehen begriffen“

Wie beschreiben

Ein Wimpernschlag

Ein Atemzug

Ein Umschauen

Ein Nichterkennen

Ein Knacken hinter den Augen

Ein Rauschen im Ohr

Ein Bröckeln der Fassade

Ein Ruck

Ein Sog zum Strudel abwärts, seitwärts, niemals hinauf

Ins Unbekannte… Ins Dunkel… Ins  Selbst

Wo bin ich und wann

Ist es bald „wer“

Sprecht mit mir… Haltet mich im Augenblick… Greift nach mir, wie ich nach Strohhalmen

Am Rande des Abgrunds zum Selbstverlust

Surreale Normalität

Fantastischer Realzustand

Außerhalb der Momente

Mit dem Wissen um die Ungewissheit eines Seins

Eines Daseins im Verschwinden, in sich selbst verlieren, im Hineinkippen, Hinausfallen, Versinken…

Wie beschreiben…

Kannst Du…

Kannst Du mich sehen

in der Dunkelheit umgeben von Licht

 

Kannst Du mich hören

in Frage stellend jede Antwort

 

Kannst Du mich halten

rastlos im Stillstand ohne Ziel

 

und hier sind die Dinge, die ich nicht verstehe

und hier ist die Welt, die mich verschreckt

und dort bist Du

 

Kannst Du

Kannst Du all das

was ich nicht kann

 

zweifel_los

Stetes Drängen der immer gleichen Gedankenkreisel.

Ein Aufreihen… ein aneinander Reiben…

Ein Zusammenwürfeln… ein Verschieben…

Dann ein Knirschen… der Zerfall…

Und wieder von vorn.

 

Von vornherein…

Ein beständiges Fragen, ein Hinterfragen mit Zwischenfragen ohne Halt…

Ein Widerhall… ein Missverstehen…

Dann ein Knacken… der Zerfall

 

zweifelsohne… zweifellos… zweifelsfrei…

…Selbstzweifel…

 

Wie ein Leben mit angezogener Handbremse, wie ein Rollen im Leerlauf, wie das Fahren mit Notbereifung… stets mit Obacht, abhängig, unter permanenter Kontrolle und dem Fuß rechts vom Gaspedal.

 

Alles und ein Ende

Ein Stück über die Liebe, denn das wäre jetzt angesagt, sagte man.

Ein Stück in fünf Akten, denn die Zahl gefiel ihm.

Ein Stück, von dem sich die Geliebte mehr erhofft hat als der Autor.

Ein Stück, über dessen Inszinierbarkeit man sicher streiten könnte.

 

Ein „Stück“, was in Auszügen bereits veröffentlicht wurde und dass nun endlich in Gänze vorliegt.

„im Entstehen begriffen“

 

 

 

 

 

 

 

 

Szene am Ende des Weges

Auflösen missfiel ihm… sich auf die andere Person einzulassen, Partnerschaften einzugehen, kompromissbereit zu sein, erschien ihm wie Selbstaufgabe und führte letztendlich stets zum Unvermeidlichen…

Aber musste eben Dies auch immer etwas Schlechtes sein? War es wirklich nötig Veränderungen, welche der Definition nach unvermeidlich sind, allzeit in Frage zu stellen oder gar direkt abzulehnen? Führte eine solche Lebensart nicht unweigerlich zum Stillstand eines Solchen?

Ist man genügsam mit Allem, fühlt sich sicher und behütet so erschüttert jede Form des Wandels den offenbaren Frieden. Natürlich schafft eine gewisse Anspruchslosigkeit, eine Zurücknahme in den eigenen Wünschen auch ein Wohlfühlen mit sich und der Welt, doch Veränderungen anzunehmen, ihnen mit Mut und Achtsamkeit in gleichen Maßen entgegenzutreten ohne sie beharrlich zu fürchten und sich dadurch zugleich auch möglichen positiven Folgen zu entziehen, ist substanziell.

All das war ihm mehr als klar.

Er lehnte Veränderungen auch nicht per se ab; nicht mehr. Lebenserfahrung  brachte die nötige Einsicht. Doch sein Herz zu öffnen und Beziehungen über die Banalität des buchstäblichen Zusammenkommens hinaus wachsen zu lassen, stand auf einem ganz anderen Blatt… dieses war eingerissen, vergilbt, mit verblassten und kaum mehr lesbaren Versprechungen darauf…

Mit Menschen Verbindungen einzugehen und sich eine Zukunft aus diesen zu erhoffen, war bisher, war vor der Zeit mit ihr, lediglich eine Träumerei gewesen, derer er sich seit langem nicht mehr hinzugeben vermocht hatte. Dafür gab es ausreichend Gründe, welche nicht nur in Worten wie Verunsicherung, Kompromittierung, Vertrauensmissbrauch, Ablehnung und Zweifel in großen Lettern auf glänzendem Papier ihren Ausdruck fanden…

Ein tiefer Atemzug, ein hörbares Schlucken, ein Räuspern…

Standhaft hielt sie noch immer seinen Blick, die Tränen noch nicht rinnend, die Augen strahlend im beginnenden Tageslicht… etwas Schöneres hatte er noch nie gesehen…

Seine Fäuste hatte sie gelöst, die Finger nicht mehr zittrig in ihrer Hand, den gemeinsamen Weg vor Augen hallte ihr beider Lachen noch lange nach.

Szene an der Abzweigung

Akt 5

Das Unvermeidliche

Szene an der Abzweigung

Die metaphorische Weggabelung lag ebenso klar vor ihm wie die sich näherende Straße, welche zu Entscheidungen aufrief… ein Hand in Hand oder ein Rücken – zueinander – gekehrt? Ein Verknüpft oder Zerrissen? Ein Gemeinsam oder Aneinander vorbei? Ein Bleiben oder Gehen? Ein Zusammen oder Getrennt?

Das schweigende Gespräch entbehrte jeder Leichtigkeit, ihr Blick erfüllt von Erwartungshaltung, von Ungeduld… den Tränen nahe…

Er ballte die zittrigen Hände zur Faust; Worte verschluckend.

Denn diese waren seine Stärke und zugleich größte Schwäche… zwei Seiten einer Medaille… immer wieder zwei Seiten und Alles dazwischen… bei jeder Drehung waren da Winkel, Abstufungen, Unebenheiten, Verbindungen, Risse, spitze Kanten, weiche Rundungen, glänzend, abgestumpft und wieder von vorn!

Würde er all Das aussprechen, was schwer auf seiner Zunge lag, sie wäre weg bevor sein Gedankengang sortiert, gelöst und beendet ist. Denn so war es immer!

Ob ihn das beeindruckt oder nicht; die einzige Frage, die es zu beantworten galt vor dem nächsten Wort.

Katze4

Bei Kerzenlicht betrachet

Die Tage, an denen ich das Gegenüber im Spiegel nicht erkenne,

sind gefüllt mit Fragen.

Und immer dasselbe Gespräch.

Du kennst sie, auch wenn du sie nicht erkennst!

„Warum schweigt sie mich an?“

Sie hat keine Sprache. Die hatte sie nie. Die brauchte sie nie.

„Verstehen wir uns an anderen Tagen? An den Tagen, da ich sie erkenne?“

Nein.

„Ich möchte sie aber verstehen. Ich will, dass wir uns verstehen. Ich möchte sie fragen, ob es ihr bald besser geht, ob sie bei mir bleibt, ob sie bei mir bleiben will.“

 

Vor dem Fenster tobt der erste Frühjahrssturm.

Ich sitze im Halbdunkel.

„Wieso erkenne ich sie nicht?“

Es ist ja nur manchmal.

„Das ist keine Antwort.“

Du stellst die falschen Fragen.

 

Als ich mich wegdrehe, blitzt es.

Ein Schauspiel im Nacken.

unerreichbar, fliehend, kraftvoll, wunderschön, einzigartig, vergänglich

und immer nur aus dem Augenwinkel, immer nur ein Bruchteil, immer wie leben

„Wie lautet die Frage?“

Willst du es? Willst du dich umdrehen? Willst du es wagen? Wirst du dich trauen?

„Morgen bestimmt…“

m o m e m t mal

erstarrt … verklebt im Fluss der Zeit w a h r n e h m u n g… den Blick stets auf der Uhr

Bewegungen nur noch g e z o g e n… erschwert, verklumpt, versunken… in einem Rennen ohne Pause, ohne Ziel, ohne Sinn

Sinn, Unsinn, Besinnung, SINNLOSigkeit, Sinnbilder

was wollte ich sagen? wo wollte ich hin?

jedes Wort zu viel… und immer im Gespräch

zur Kunst…Sammlung Katze4

Lass doch die Fruchtfliege, Fruchtfliege sein

Viele großartige Bücher beginnen mit einem Zitat.

Wobei dann meist einem angesehenen Menschen mit seinen ebenso ansehenswerten Aussagen gehuldigt wird.

Um also meine Großmutter zu zitieren: „Morgen fangen wieder hundert Tage an.“

die erste Party

Wenn man Fünfzehn ist, gerade erst einem Jugendverein beigetreten – man sollte wohl sagen „wurde“, denn wirklich freiwillig, trat ich dem JugendRotKreuz damals nicht bei – und die erste richtige Party ins Haus steht, so ist man voller Erwartungen.

Erwartungen über das wer und wie und was…und natürlich darüber, ob das nun endlich die alles entscheidende Leben verändernde Erfahrung wird, von der sicher jeder Teenager träumt.

Nein, nicht gleich wilder Sex auf dem Männerklo, sondern natürlich irgendwas spirituelles, etwas Aussagekräftiges, etwas, an das man sich auch Jahre später noch wohlwollend zurückerinnern kann.

Vermutlich ziehen die meisten Jugendlichen in dem Alter doch das mit dem Sex vor.

Ehrlicherweise sollte an dieser Stelle noch erwähnt werden, dass trotz meines stets alles überragenden Anspruchs an mich selbst, etwas Besonderes zu sein, irgendwie anders als alle anderen, vielleicht sogar besser, weil doch immerhin tiefgründig, hätte auch ich die Nummer mit dem Sex allem spirituellem Tiefgang vorgezogen.

Aber das hätte ich damals nie zugegeben, wollte ich doch so unbedingt außergewöhnlich sein.

Was von meiner, doch recht verschwommenen, Erinnerung noch übrig blieb, waren die weniger spirituellen, aber umso schlechteren Horrorfilme, ne ziemlich üble Mischung Alkohol und der Trennungsversuch Mayas von ihrem Verehrer – der Erste von vielen.

So gegen 1Uhr an dieser viel zu warmen Januarnacht des Milleniumjahres kuschelte ich mich schließlich selig betrunken in meinen Schlafsack und ließ die lausige Party, Party sein. Wäre nicht ein hacke dichter, leider nur noch Unterhosen tragender Junge schwungvoll auf mich drauf gesprungen, ich hätte die nachfolgenden neun Jahre vermutlich ganz anders zugebracht…

Wie ich inzwischen aus reichlicher Erfahrung sagen kann, ist es überhaupt nicht hilfreich einem recht angetrunkenen Menschen auf den Bauch zu springen und ihn so aus seinem wohlverdienten Erholungsschlaf zu reißen – nicht dass mir danach noch mal jemand solch einen Weckgruß bereitet hätte, aber ihr wisst, was ich meine.

Auf dem Damenklo ließ ich mir die ganze Party dann noch mal durch den Kopf gehen, zweimal, wenn’s man genau nimmt, nur um dann festzustellen, dass die ganze Bande mittlerweile am pennen war.

Alle, bis auf einen sehr nüchternen, weil zu spät erschienenen, Metaller Mitte zwanzig, der mir nur einen einzigen Blick zuwarf, bevor er sich der anderen, auch noch nüchternen, weil damals Antialkoholikerin, Person zuwandte, auf die er, wie ich später erfuhr, ein Auge geworfen hatte.

Nur ein einziger Blick und ich wusste genau, nur er ist dazu in der Lage meine Welt vollkommen auf den Kopf zu stellen, mich auseinander zunehmen und Stück für Stück neu zusammenzufügen, mich mitzureißen, egal was auch passieren möge und mir das Herz zu brechen, so oft es ihm beliebt.

Nur ein einziger Blick und ich war verloren.

***

[…]

zum Rest der Geschichte

Szene mit dem Kopf im Nacken

Eine Liebesgeschichte, ein Stück über die Liebe, eine Romanze, ein Drama, eine Realbeschreibung… was könnte das Publikum verlangen?

Der Autor wälzt die Frage zum unzähligen Mal um, lässt sich die Gedanken vermehrt durch den Kopf gehen, über die Lippen wandern, durch die Finger rinnen… nichts Konkretes will entstehen.

Er wird nervös, fühlt sich getrieben, nicht aber angetrieben zu Taten, sondern vielmehr vertrieben. Unsicherheit liegt ihm nicht, Unsicherheit führt für ihn nicht dazu alte, bekannte Wege zu verlassen, um neue auszuprobieren, um ins Unbekannte zu springen und sich in Aufregung, Erwartung, Vorfreude aufzulösen.

Keine Zeit … nicht dafür…

Zurück zum Anfang!

Ein Stück…

Wie viele Akte hat eine Liebe?

Sind es immer fünf?

Immer nach Aristoteles?

Die Begegnung, das Interesseentwickeln, das Zusammenkommen, der Alltag, das Unvermeidliche…

Fünf als Zahl gefällt ihm.

 

zur Entfaltung des Ganzen Katze4

Etwas

Prolog

Wie so oft in diesen Wochen saß T. auf dem Fußboden ihres Einzimmerappartements, im Wohnbereichsteil wohlbemerkt; nicht zu verwechseln mit dem Büro-, dem Flur- oder dem Küchenabteil. Für sie war es von enormer Wichtigkeit dies zu trennen, obgleich es nur im übertragenen Sinne möglich war, da sie sich nie die Mühe gemacht hatte ihre Wohnung tatsächlich zu untergliedern. Wäre das Badezimmer nicht von Bau-wegen her in einem Extraraum untergebracht, sie wusste nicht, ob sie sich daran gestört hätte – die metaphorischen Wände genügten ihr.

Statt eines Esstischs begnügte sich T. mit ihrem Bürostuhl (Kleiderharken, Klavierschemel, Nachttisch) als Ablage für den Kaffee und die Morgenzeitung. Nicht, dass sie keine andere Wahl gehabt oder sich aus einem moralischen Grund, wie der Abneigung unnützem Eigentums gegenüber, für diesen Minimalismus entschieden hätte, sie empfand sich lediglich als sehr pragmatisch und sah keinen nahliegenden Grund darin Möbel zu besitzen, die austauschbar waren in deren Zweckmäßigkeit .

Zum wiederholten Male blickte T. auf die Wanduhr; bereits Zehn nach Sechs. Auch ihr Mobiltelefon bestätigte das und nachdem sie ihre Armbanduhr gestellt hatte, stimmte auch diese zu. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit, um sich auf den Unterricht vorzubereiten; sich mental darauf einzustellen unter Menschen zu sein… wäre es nach ihr gegangen, sie hätte auf die Umschulung verzichtet. Was sollte das Alles auch? Für sie machte es keinen Unterschied, welchem Beruf sie nicht nachging. Doch ihre Großmutter hatte ihr das Versprechen abgenommen letztlich doch noch „Etwas“ aus sich zu machen.

Doch was sollte das eigentlich bedeuten? „Etwas“ aus sich machen. Wer würde das beurteilen können? Wie würde die Welt aussehen, wenn alle sechs bis sieben Milliarden Menschen etwas leisten könnten, was für die Welt von Bedeutung ist? Es gäbe nichts mehr von Bedeutung, wäre alles von Bedeutung.

Und das wäre tragisch!

Zu ihrem Unmut stand T. mit ihrer Meinung allein da auf weiter Flur. Sie störte sich nicht daran, nicht ernsthaft, denn sie war davon überzeugt, dass die meisten ihrer Mitmenschen überhaupt nicht dazu in der Lage waren solche Zusammenhänge zu verstehen; zu sehr lebten sie unter dem Einfluss des Erlernten, nach den über Generationen weitergetragenen Lebensregeln, nach dem was im Allgemeinen erwartet wurde. Selbst die Menschen, welche sich lauthals gegen jede Norm aussprachen, konnten das Vorgeprägte doch nie wirklich abschütteln und wenn es sich nur darin ausdrückte, dass jede ihrer Handlungen im direkten Gegensatz dazu stand, was für T. auch nur bewies, dass ein tatsächlicher innerer Abstand wohl fehlte.

Den Kopf an die Sofakante gelehnt, sann T. ihren Gedanken nach, vergessen war der Kaffee und die Zeit. Für einen  kurzen Moment wurde sie gewahr, dass ihr Misstrauen und ihre Ungeduld anderen gegenüber unweigerlich dazu führte, dass es in absehbarer Zeit nicht mehr notwendig sein würde irgendjemandem irgendetwas zu erläutern.

Sie wäre allein – wahrscheinlich war sie es schon längst; ein Gedankengang, dem sie nie allzu weit folgen wollte, sich aber immer häufiger dabei ertappte. Langsam und hörbar ausatmend, mit zusammengekniffenen Augen schob sie das leidige Thema beiseite. T. griff nach ihrem Kaffee und verzog das Gesicht. Lauwarm.

Es wurde Zeit loszuziehen, dass, wenn sie schon nicht „etwas“ aus sich machen konnte, sie doch zumindest irgendetwas tat.

Akt 1

Szene 1

„Wie war dein Tag?“ Ein kurzes Achselzucken war alles was T. ihrer Großmutter als Antwort gab, bevor sie sich eine Tasse Kaffee aufbrühte. „Hast du etwas Interessantes lernen können?“ Darauf entgegnete sie mit einem kurzen Schnauferl durch die Nase, während sie im Schneidersitz auf dem Teppich platznahm. „Ach, jetzt sei nicht so. Du weißt genau, dass ich es nicht gutheißen kann, wenn du dich so zurückziehst!“ „Ich ziehe mich nicht zurück! Es gibt lediglich nichts von Bedeutung zu erzählen.“ „Dann eben etwas ohne Bedeutung.“ Das leichte Schmunzeln unterwanderte den inzwischen recht brüsken Tonfall und T. konnte nur grinsend den Kopf schütteln. Wie gerne würde sie ihrer Großmutter von mitreißenden Unterrichtsstunden und fesselnden Gesprächen berichten, doch alles was T. während der Schulungen zustande brachte, waren zynische Einwürfe, um die Antworten der Anderen, wenn nötig, zu verbessern und Staring Contests mit den Dozenten. „Ich habe meinen leeren Blick verbessern können und mich mit dem Dozierenden übers Wetter unterhalten – es wird wohl wieder wärmer.“ „Das Wetter wird wieder angenehmer?! Na da weißt du zumindest schon mehr als ich.“

[… zum Rest der Geschichte…]

ohne Sein

in Momenten da ich kaum noch bin

entleert, entrückt, vertrieben

ohne Sein, kein Dasein

 

der Geist verkleb

die Gedanken im Nebel

 

reduziert

 

verloren die Sprache

alles verlangsamt, lang gezogen, zusammengestaucht

das Sein ohne Sinn

 

die Gedanken ohne Sprachrohr

zerstückelt, verwirbelt, laut und grell

 

am Anfang der Sturm im Kopf

im Anschluss ein Vakuum

 

reduziert

 

die neue Normalität

reine Gewohnheitssache, wenn man die Umwelt befragt

in Fragen gezogene Gespräche

Unverständnis, welches vollkommen verständlich

 

ich denke, also bin ich

was bin ich, wenn ich nicht denken kann?

 

nur Kunst

zur Kunstsammlung Katze4

Zwischen den Szenen. Am Ufer

„Wer ist sie?“, ein Fragen mit belegter Stimme.

„Wen meinst du?“

„Sie, welche dir in die Augen blickt… sie bekommt mir bekannt vor… warum?“, ein kurzes Schluchzen mit geballter Faust, linke Hand und zittrigen Fingern, rechte Hand, „…vielleicht habe ich einst ein Bild von ihr gesehen; eins von deinen alten Photos , du weißt schon, die du immer versteckt hältst…“, verschlucken der Worte, die noch fallen wollten, „Wie heißt sie?“

„Sie hat keinen Namen… ich kenne ihn nicht… sie hat ihn mir nie verraten… ich habe nie gefragt…ich verstehe nicht, warum sie dir bekannt vorkommt!

Sie ist sonst nur ein Schatten, eine Stimme, ein Schrei meiner selbst. Ich kann sie normalerweise gut verstecken hinter jedem Scherz, jedem Ratschlag, jedem Moment in Gesellschaft… sie ist eine Schwäche, meine Schwäche, mein Schmerz, den ich nicht zeigen darf, da ich stark zu sein habe… da man dies von mir erwartet. Immer ein Lächeln auf den Lippen… auch wenn es die Augen verlässt, sobald ich mich umdrehe… immer kraftvoll oder wenigstens mit Humor… wenn bissig, dann intellektuell… wenn enttäuscht vom Leben, dann über den Fortgang der Gesellschaften mit deren unerreichbaren Ansprüchen und Ungerechtigkeiten, den Fehlverteilungen, der Ignoranz, dem Rasen ohne Ziel, dem Drehen im Alltag, dem Gefangensein in Tretmühlen…

…niemals über das eigene Leben, über verpasste Chancen, Fehlentscheidungen, Ängstlichkeiten, dem Gefühl zu ertrinken mitten in der Wüste, in der ich im gleichen Moment verdurste…

Und ich bin so wütend und habe kein Anrecht darauf! Keiner ist für meine Wut zu verantworten, niemand trägt Schuld daran, was der Wut keinen Abbruch tut…

…und dann ist da sie, die mich anblickt mit traurigen Augen immer dann, wenn ich den Anderen den Rücken zukehre, da mir das Gesicht schmerzt vom vielen grinsen und die Worte fehlen, nach all dem ganzen Ausgetausche und ich wieder nichts von ihr, die sie mein Leben einnimmt, erzählt habe.

Ja, nun wirfst du mir diesen Blick zu… ich kenne ihn nur zu gut… es ist das Entsetzen, die Verunsicherung, da die richtigen Worte noch nicht geschrieben wurden für diese Art des Gesprächs. Nein, mach dir keine Sorgen… ich bin nicht steif vor Angst vor dem, was da ist, was noch kommen mag, kommen muss, kommen wird… nein, dass Alles sollte lediglich den nächsten Akt einführen.

Was hältst du davon?“

zur Entfaltung des Ganzen Katze4

aus Jugendtagen

Die Jugend ist meist so allwissend, daß sie alles weiß, bis auf eines: daß auch einmal die Alten allwissend waren, bis sie wirklich alles wußten. (E. Hemingway)

Ohne Titel

ich du er sie es

wir ihr sie

immer dieselben

nirgends ein Wandel

ich unten du oben

wir am Ende

ihr seid Schuld oder nur sie

oder du oder ich oder wir

vielleicht auch keiner

(19.08.2004)