Auf Umwegen_Vorwort

Verloren auf dem Weg war die eine Geschichte, welche bereits 10 Jahre darauf gewartet hatte ein Ende zu finden. Und wie das manchmal so ist, entwickelte diese sich nicht nur in eine etwas andere Richtung, als ursprünglich geplant, sondern wuchs auch über diese und sich selbst hinaus.

Es ist also jetzt eine Reihe von Geschichten angedacht: über das Leben, sich Suchen und anderes Finden in diesem kleinen Ort, der sich doch mehr als Metropole gibt. In dem Jeder alles sieht und doch nie etwas erkennt, denn man ist in Eatrich stets Allein unter Weggefährten.

Auf Umwegen ist nun der zweite Teil. Man kann diesen auch ohne Verloren auf dem Weg zu kennen, verstehen.
Jedoch ist ein jeder dazu eingeladen mit den Protagonisten durchs Leben zu ziehen und über Wurzeln und Gedankengänge zu stolpern Katze4

Auf Umwegen

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Nun da Elke endlich auch innerlich in Eatrich angekommen ist, wird die Ruhe des Stadtlebens und ihr sanfter Einstieg ins Reporterleben mit dem Fund einer Frauenleiche erschüttert.
Bei ihrem Versuch näheres über das Opfer zu erfahren, stolpert Elke über nicht nur ein Hindernis…

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ein Jemand_anderes

Der Tag, an dem er aus seinem Leben fiel, fing eigentlich ganz harmlos an…

Wie so oft erwachte er kurz vor 5Uhr morgens und versuchte gar nicht erst weiter nach Schlaf zu suchen. Wie immer an solchen Tagen stolperte er direkt ins Badezimmer, wie zu oft erfolglos; schon lange nicht mehr enttäuscht, dass seine Blase ihn zwar mit Gewalt geweckt hatte, aber sich schließlich weigerte ihm Erleichterung zu verschaffen; das Alter vermutlich.

Tief durchatmend zog es ihn zurück ins Bett, zog es ihn zur zu schwach leuchtenden Lampe und zum aktuellen Buch. Bewusst nicht auf die Nachbarn lauschend, lag er nun da und las – las einige Stunden, da es im Grunde nichts zu tun gab außer sich die Zeit zu vertreiben und aktiv nicht darüber nachzudenken, dass es im Grunde nichts gab in seinem Leben, das seine Aufmerksamkeit verlangte.

Es war kein Kampf mehr; das Nichts-zu-tun-haben. Es war eine einfache Tatsache, die es zu akzeptieren galt oder wenigstens zu ignorieren… und das tat er nun – Tag ein, Tag aus.

In Herrgottsfrühe erwachen, nicht auf die Nachbarn lauschen, stundenlang lesen, Kaffee zum Frühstück, Nachrichten auf leerem Magen, Löcher in die Luft starren, Lesen, zu wenig essen, ein paar Schritte an der frischen Luft… nicht lauschen, ein Glas Weinbrand zum Abend und von vorn.

Ein Leben im mittleren Alter ohne Aussicht auf Verbesserung, ohne Kraft schon wieder von Null anzufangen, ohne Muße irgendjemanden noch irgendetwas erklären zu müssen.

So lag er nun also wie immer da, die stets laufende Nase ins Buch vertieft. Die blutunterlaufenen, grauen Augen flink über Zeilen gleiten lassend. Das vom Schlaf noch kreuz und quer liegende braune Haar ins Kissen gedrückt mit dem Rücken zum Wohnbereich. Als ihn auf einmal ein zu nahes Klappern, ein Türen öffnen und schließen, ein Wasser laufenlassen, ein Stuhl über Laminatboden schieben, ein Knarren im Sessel… erst verwundert aufhorchen, dann erschrocken aufrichten und schließlich entgeistert in Richtung Wohnbereich blicken ließ.

Jemand war in seiner Wohnung, saß auf seinem Stuhl, trank seinen Kaffee und schenkte der morgendlichen Nachrichtensendung seine Aufmerksamkeit…

Jemand, ein Jemand, welcher ihm bis aufs Haar zu gleichen schien.

Fortsetzung folgt

Szene am Ende des Weges

Auflösen missfiel ihm… sich auf die andere Person einzulassen, Partnerschaften einzugehen, kompromissbereit zu sein, erschien ihm wie Selbstaufgabe und führte letztendlich stets zum Unvermeidlichen…

Aber musste eben Dies auch immer etwas Schlechtes sein? War es wirklich nötig Veränderungen, welche der Definition nach unvermeidlich sind, allzeit in Frage zu stellen oder gar direkt abzulehnen? Führte eine solche Lebensart nicht unweigerlich zum Stillstand eines Solchen?

Ist man genügsam mit Allem, fühlt sich sicher und behütet so erschüttert jede Form des Wandels den offenbaren Frieden. Natürlich schafft eine gewisse Anspruchslosigkeit, eine Zurücknahme in den eigenen Wünschen auch ein Wohlfühlen mit sich und der Welt, doch Veränderungen anzunehmen, ihnen mit Mut und Achtsamkeit in gleichen Maßen entgegenzutreten ohne sie beharrlich zu fürchten und sich dadurch zugleich auch möglichen positiven Folgen zu entziehen, ist substanziell.

All das war ihm mehr als klar.

Er lehnte Veränderungen auch nicht per se ab; nicht mehr. Lebenserfahrung  brachte die nötige Einsicht. Doch sein Herz zu öffnen und Beziehungen über die Banalität des buchstäblichen Zusammenkommens hinaus wachsen zu lassen, stand auf einem ganz anderen Blatt… dieses war eingerissen, vergilbt, mit verblassten und kaum mehr lesbaren Versprechungen darauf…

Mit Menschen Verbindungen einzugehen und sich eine Zukunft aus diesen zu erhoffen, war bisher, war vor der Zeit mit ihr, lediglich eine Träumerei gewesen, derer er sich seit langem nicht mehr hinzugeben vermocht hatte. Dafür gab es ausreichend Gründe, welche nicht nur in Worten wie Verunsicherung, Kompromittierung, Vertrauensmissbrauch, Ablehnung und Zweifel in großen Lettern auf glänzendem Papier ihren Ausdruck fanden…

Ein tiefer Atemzug, ein hörbares Schlucken, ein Räuspern…

Standhaft hielt sie noch immer seinen Blick, die Tränen noch nicht rinnend, die Augen strahlend im beginnenden Tageslicht… etwas Schöneres hatte er noch nie gesehen…

Seine Fäuste hatte sie gelöst, die Finger nicht mehr zittrig in ihrer Hand, den gemeinsamen Weg vor Augen hallte ihr beider Lachen noch lange nach.